Die Organe. $ 127. 497
Verfügungen des Bundespräsidiums“ — nicht einzelne oder ge-
wisse, sondern alleh — „werden im Namen des Bundes erlassen.“
Das sollte heißen: die gesamte Tätigkeit des Präsidiums ist organ-
schaftliche Ausübung nicht preußischer Staatsgewalt, sondern der
Bundesgewalt, einer Gewalt, welche nicht nur die Mitverbündeten
Preußens sondern auch Preußen selbst überragt und beherrscht.
Damit war die Präsidialgewalt, welche der Verfassungsentwurf der
Krone Preußen zuerteilte, dem Rechte nach (quoad ius) dem Bunde
übereignet; diese Gewalt hatte durch die Annahme des Antrags
Bennigsen ihr Subjekt gewechselt: aus der preußischen Gewalt
über den Bund war eine Organschaft im Bunde geworden.
So wurde die hegemonische Struktur der Verfassungsentwürfe
durchbrochen, freilich noch nicht vollständig umgewandelt. Denn
der Antrag Bennigsen bezog sich nur auf die Zuständigkeit des
„Bundespräsidiums“, nicht auf die des „Bundesfeldherrn“ und des
Königs von Preußen als Oberbefehlshaber der Marine. Nur die
erstere wurde durch Art. 17 Satz 2 zur Bundesgewalt erklärt, die
beiden andern dagegen nicht: sie blieben von der Verantwortlich-
keit des Bundeskanzlers frei, blieben unter der Herrschaft der
norddeutschen Bundesverfassung das, was sie nach deren Ent-
würfen sein sollten: preußische Hegemonie. Erst bei der Er-
weiterung des norddeutschen Bundes zum Deutschen Reiche ver-
schwand dieser letzte starke Rest des Hegemoniegedankens,
wurde auch die Kommandogewalt über Heer und Flotte natio-
nalisiert.
Es geschah dies durch die Einführung des Kaisertitels und
durch die Folgerungen, welche die Neuredaktion der Reichs-
verfassung (16. April 1871)i aus dieser Einführung gezogen hat,
Die Wiederaufrichtung des deutschen Kaisertums, genauer:
die Verbindung des Titels „Deutscher Kaiser“ mit den außer-
bundesrätlichen Präsidialrechten Preußensk war durch zwei Be-
weggründe geleitet. Einmal sollte der Glanz der alten Kaiser-
krone, der Wert, der diesem ehrwürdigen Symbol deutscher Ein-
heit in der Erinnerung des Volkes innewohnte, für das neue Reich
nutzbar gemacht werden!. Sodann aber sollte der Kaisertitel das
h Der durch das Amendement Bennigsen abgeänderte Satz (Art. 18
Satz 2) der Vorlage der verbündeten Regierungen hatte gelautet: „Die hier-
nach von dem Präsidium ausgehenden Anordnungen werden im Namen des
Bundes erlassen.“ Dies einschränkende „hiernach“ bezog sich auf den
voraufgehenden Satz: „Dem Präsidium steht die Ausfertigung und Ver-
kündigung der Bundesgesetze und die Überwachung der Ausführung der-
selben zu.“
I Oben \ 68.
k Oben $ 67, S. 206, 207 und Anm. 18. ,
I Bismarck, Ged. und Erinn.2 115: „Die Annahme des Kaisertitels war
ein politisches Bedürfnis, weil er in den Erinnerungen aus Zeiten, da er
rechtlich mehr, faktisch weniger zu bedeuten hatte, ein werbendes Element
für Einheit nnd Zentralisation bildete.“