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welche sich in einem Abhängigkeitsverhältnisse befinden, kraft
dessen sie dazu bestimmt sind, den Interessen des Staates, von
dem sie abhängig sind, dienstbar zu sein. Der Ausdruck „Schutz-
gebiet“ und die Bezeichnung der Herrschaft des Reichs über
seine Kolonieen als „Schutzgewalt“ dürfen nicht irreführen. Es
handelt sich bei diesen Gebieten nicht um Länder mit — wenn-
gleich beschränkter — politischer Selbständigkeit, die unter der
Schutzhoheit (Suzeränetät, Protektorat, vgl. oben $ 12 S. 43, 44)
des Deutschen Reiches stehen. Die Schutzgebiete sind weder
Staaten, noch staatsartige oder staatsähnliche Gemeinwesen, noch
überhaupt Gemeinwesen mit eigener Rechtssubjektivität (oben $ 1),
vielmehr lediglich Objekte der Reichsherrschaft: Länder, die dem
Reiche gehören, in denen niemand außer dem Reiche herrscht.
Die „Schutzgewalt* (Sch@G vom 10. September 1900, $ 1) ist
mehr und etwas anderes als die Hoheitsrechte, die man sonst mit
ähnlich lautenden Ausdrücken bezeichnet. Sie ist die Reichs-
gewalt, bezogen auf die Schutzgebiete, souverän, wie stets und
überall, ferner aber, in besonderer Gestaltung (wie sonst nur noch
in Elsaß-Lothringen), ausgeweitet zur vollen, lückenlosen Staats-
gewalt des Einheitsstaates. Sie ist nicht bloß Oberhoheit, sondern
Hoheit, sie umfaßt nicht nur einzelne Staatshoheitsrechte, son-
dern alle.
Bestand und Erwerb des deutschen Schutzgebietsbesitzes
sind in anderem Zusammenhange — oben $ 69a — dargestellt
worden.
Ihrer rechtlichen Natur nach sind die Schutzgebiete, wie so-
eben bemerkt, Länder, welche unter der Herrschaft des Deutschen
Reichs stehen, ohne staatliche oder überhaupt rechtliche Selb-
ständigkeit zu besitzen. Sie sind insbesondere den deutschen
Einzelstaaten nicht gleichgestellt, noch irgend mit ihnen vergleich-
bar. Sie sind reichsunmittelbares Gebiet, „Reichsland* wie Elsaß-
Lothringen, darin jedoch von Elsaß-Lothringen grundverschieden,
daß sie nicht wie dieses Reichsland im engeren Sinne in das
Reichsgebiet („Bundesgebiet“, RV Art. 1) einbezogen sind. Die
Schutzgebiete gehören dem Reiche und zum Reiche, aber nicht
zum Reichsgebiet im Sinne von RV Art.1. Anders ausgedrückt:
Derselbe, Einführung in das deutsche Kolonialrecht (1911); Artikelfolge
„Schutzgebiete im WStVR (Sassen, Gerstmeyer, Fleischmann), Art. Selbst--
verwaltung in den Kolonien im WStVR (Külz). Insbesondere über Bestand
und Erwerb der Schutzgebiete: Zadow, Der deutsche Kolonialbestand, im-
HbaP 2. Aufl. 2, 633; H. Böhme,, Die Erwerbung der deutschen Schutz-
ebiete (1902); Bornhak im ArchOffR 2 1ff.; Dietzel, Der Erwerb der
chutzgewalt über die deutschen Schutzgebiete (Leipz. Diss. 1909). — Ins-
besondere über die rechtliche Natur der Schutzgebiete: G. Meyer, Die staats-
rechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete (1888); v. Poser und Groß-
Nädlitz, Die rechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete (1909; Sassen,
Die staatsrechtliche Natur der Schutzgebiete, ZfKolP 8 594 ff.; Rosenberg
in AnnDR 1808 657f.; Giese, die Geltung der RV in den Schutzgebieten
(Festgabe für Krüger 1911, 417 ff).