‚Einleitung. $ 17. 59
ihrem Wesen nach nicht auf dem Wege gewohnheitsrechtlicher
Bildung vor sich gehen können, weil zu ihrer Durchführung ein
bewußter äußerer Akt notwendig is. Dies sind namentlich
Änderungen der Verfassungsform. Mit ihnen ist stets ein Wechsel
in der Person des Trägers der Staatsgewalt werbunden, der nicht
allmählich innerhalb eines längeren Zeitraumes, sondern in einem
bestimmten Momente stattfinden muß. —- Überhaupt wird da, wo
eine gesetzlich genau geregelte Staatsorganisation besteht und die
staatlichen Organe über der Aufrechterhaltung des geltenden Rechtes
ängstlich wachen, nur ein geringer Raum für die Bildung von
Gewohnheitsrecht übrig bleiben.
3. Völkerrechtliche Verträge, wenn sie in die inneren
Verhältnisse eines Staates eingreifen. Sie gelten aber für die
Untertanen eines Staates nur kraft einer Einführung durch die
Staatsgewalt und haben dann dieselbe Verbindlichkeit wie Gesetze.
In einer Zeit, wo die staatlichen Rechtsverhältnisse als Beziehungen
einzelner Personen und Korporationen zueinander angesehen wurden,
kamen auch Verträge unter diesen als Quelle des Staatsrechtes
vor, so 2. B. im alten deutschen Reiche die Wahlkapitulationen,
in den deutschen Territorien Verträge zwischen Landesherren und
Landständen, in den Reichsstädten Rezesse zwischen Rat und
Bürgerschaft. Dagegen schließt die neuere Staatsauffassung, welche
die bei Ausübung der Staatsgewalt beteiligten Personen nicht als
einzelne Individuen, sondern als Organe des Gemeinwesens be-
trachtet, eine vertragsmäßige Erzeugung von Recht innerhalb des
Staates völlig aus.
8 17.
Das System des Staatsrechtes muß von dem des Privat-
rechtes durchaus verschieden sein. Im Privatrecht handelt es sich
um die Regelung von Rechtsbeziehungen einzelner Individuen zu-
einander, im Staatsrecht um die Ordnung eines Herrschaftsver-
hältnisses!. Hier kommt es darauf an:
1. den Kreis von Personen festzustellen, welche der Staats-
herrschaft unterworfen sind — Herrschaftsbereich des
Staates;
2. zu bestimmen, wer die Herrschaftsrechte des Staates aus-
übt — Organe des Staates;
a Vgl. aber die eigentümliche, nicht vertragsmäßige, aber vertrags-
förmige Erzeugung öffentlich-rechtlicher, insbesondere verwaltungsrecht-
licher Rechtasätze durch Vereinbarung: Anschütz, Pr.Verw.Bl. 22 88 ff.
mit vielen Belegen aus der Praxis; Fleiner, Instit, 82, 83. Über den Be 1
der Vereinbarung und seine Verschiedenheit von dem des Vertrages vgl. oben
$ 14 S. 54 Anm. t. . ,
ı Das von Seydel, Allg. Staatsl., zugrunde gelegte System schließt sich
zum großen Teil an das System des Privatrechtes an, was sich allerdi
daraus erklärt, daß der Verfasser auch im Staatsrecht nur Individuen als
Rechtssubjekte anerkennt. Vgl. dagegen Gierke, Z.StaatsW. 80 1%.