Die Funktionen. 8 164, 703
Stimmen der einzelnen Regierungen im Bundesrat!! und ebenso
nicht die Präsidialrechte Preußens 2 18,
Die Zustimmung des berechtigten Bundesstaates
kann dem Reiche gegenüber nur durch den Vertreter des Staates
im Bundesrate erklärt werden, und diese Erklärung ist für das
Reich ausreichend. [Eine Verpflichtung der betreffenden Regierung,
einbar, dagegen nicht mit der Entstehungsgeschichte desselben. Namentlich
steht der erläuternde Zusatz im Vertrage mit Bayern [oben N. 6] entgegen.
ı1 Die Ansicht, daß nicht bloß die besondere Vertretung in den Bundes-
ratsausschüssen, sondern auch die Stimmenzahl im Bundesrat unter die Be-
stimmungen des Abs. 2 Art. 78 falle, vertreten: Seydel, Komm. zu Art. 6
Nr. III und Kontroversen des Reichsverfassungsrechtes, Zeitschrift für die
deutsche Gesetzgebung und einheitliches deutsches Recht 7 621 ff.; Loening,
2.a. 0. 367 und Grundzüge der RV 44,45; v. Rönne $$ 22 u. 65; L. A. Müller,
Reichsrecht und Landesrecht in Bayern, AnnDR 19:6 848; Trieps, a. a. O.
130 ff.; v. Jagemann, Die deutsche RV 230ff.; Rosenberg im ArchÖfR 14
942. Diese Ansicht ist aber mit dem Wortlaut des Art. 78 nicht vereinbar,
da die betreffenden Rechte keine „bestimmten Rechte einzelner“ [d.h
einiger wenigen, sondern aller] Bundesstaaten sind. Auch die bisherige
Praxis steht derselben ent egen. Bei der Erneuerung des Zollvereins (ZWV
v. 8. Juli 1867) und der Gründung des Deutschen Reiches hat eine Ver-
änderung zwar nicht der absoluten Zahl, wohl aber des prozentualen Anteils
an der Gesamtheit der Stimmen, worauf es allein ankommt, ohne Zustimmung
der Einzelstaaten stattgefunden (Haenel, Studien 1 204, 205). Andere Schrift-
steller, namentlich Laband, H. Schulze und Kittel wollen die Bestimmungen
des Art. 78 Abs.2 wenigstens auf die Bayern im Bundesrat eingeräumten
sechs Stimmen in Anwendung bringen. [Art.78 Abs.2 RV will und soll
nur wirkliche Sonderrechte, d. h. solche Rechte schützen, welche Aus-
nahmen von einer Regel darstellen; besonderer Schutz für besondere
Rechte. Besondere Rechte in diesem Sinne sind allerdings die Exemtionen
von der ‚gemeingültigen Reichskompetenz, nicht aber die Ansprüche der
größeren Einzelstaaten auf verstärkte Beteiligung bei der Bildung des Reichs-
willene. Die Reichsverfassung beruht, was die Beteiligung der Staaten bei
der Bildung des Reichswillens, insbesondere die Verteilung der Stimmenzahl
im Bundesrate anlangt, nicht auf dem Prinzip der Gleichheit, sondern um-
gekehrt auf dem Prinzip der Ungleichheit: der Abstufung des Stimmgewichts
nach der Größe und politischen Bedeutung der Einzelstaaten. Es ist eine
vollkommen willkürliche Unterstellung, wenn v. Jagemann, RV 232 von
einem ‚regelmäßigen Einstimmenrecht im Bundesrate“ redet. Eine solche
Regel“ existiert nicht. Die Vorschrift, daß Bayern sechs Stimmen im
Bundesrat hat, Lippe oder Lübeck dagegen nur eine, ist nicht Ausnahme
von einer Regel, vielmehr Ausdruck einer solchen; daß die Präsidialrechte
an Preußen und nicht an irgendeinen Mittel- oder Kleinstaat übertragen
sind, ist nicht Privileg, sondern Prinzip.
12 Die Meinung, daß die Präsidialrechte Preußens unter die Vorschrift
des Art. 78 Abs. 2 fallen, vertreten: H. Schulze, a. a. O.; v. Kirchenheim,
a. a. ().; Seydel, Komm. zu Art. 78 Nr. IV; Loening, a. a, O. 865, Grund-
züge 45; Trieps, a. a. O. Die Frage hat jedoch keinerlei praktische Be-
deutung, da Preußen imstande ist, durch Abgabe der ihm zustehenden
Stimmen jede Verfassungsänderung zu hindern.
18 Übereinstimmend mit den hier vertretenen Ansichten: Zorn, StR 1
129. und Art. „Reservatrechte“ in v. Holtzendorffs Rechtslexikon #
.450 ff. ; Jellinek, Staatsverbindungen 272 Nr. 19, System 304, 305; Brie, Theorie
der Staatenverbindungen 105 N. 7; Anschütz, Enzykl. 76, 77; Nirrnheim,
a. a. 0. 614 ff., 629 und — abgesehen von den N. 7 u. 10 erörterten Punkten —
Haenel, a. e. O.
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