724 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 170.
Die staatsrechtliche Rechtspflege dient dagegen dem Zwecke,
Rechtskontrollen für die amtliche Tätigkeit der staatlichen Organe
zu schaffen.
Als sich in Deutschland die Funktionen der Justiz- und Ver-
waltung zu scheiden begannen, bestand eine Gerichtsbarkeit ledig-
lich auf dem Gebiete des Privatrechtes und des Strafrechtes.
Verfassungsstreitigkeiten im modernen Sinne gab es damals über-
haupt nicht; auf dem Gebiete der Verwaltung fehlte die gesetzliche
Regelung und die scharfe Scheidung der Gesichtspunkte des Rechtes
und der Zweckmäßigkeit, welche die unerläßliche Voraussetzung
für die Entwicklung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit bildet. So
fand sich für die Gerichte, als die Organe der Justiz, zunächst
gar kein anderes Gebiet der Tätigkeit als das des Privatrechtes
und des Strafrechtes. Neben ihren richterlichen Funktionen wurden
ihnen aber noch andere Geschäfte übertragen, welche materiell
den Charakter von Verwaltungshandlungen hatten: die sogenannte
freiwillige Gerichtsbarkeit. Erst im neunzehnten Jahrhundert
entstand mit der Entwicklung des konstitutionellen Staatslebens
auch eine umfassendere Rechtsprechung auf dem Gebiete des
Staatsrechtes. Es trat das Bedürfnis einer Entscheidung von Ver-
fassungsstreitigkeiten zwischen Regierung und Landtag hervor;
die Einführung der Ministerverantwortlichkeit ließ das Dasein
eines Gerichtshofes für die Aburteilung der Ministeranklagen als
notwendig oder doch als wünschenswert erscheinen; die rechtlich
gesicherte Stellung, welche den Staatsdienern eingeräumt wurde,
hatte die Entstehung einer Disziplinargerichtsbarkeit über dieselben
zur Folge; die gesetzliche Regelung des Verwaltungsrechtes führte
zur Ausbildung einer Rechtsprechung in Streitsachen über den
Umfang der Verwaltungsbefugnisse. Diese richterlichen Zuständig-
keiten wurden aber nicht den bestehenden Gerichten, sondern neu
ebildeten besonderen Behörden übertragen. Ersteren blieb, wie
Bisher, lediglich die Ausübung der Privat- und Strafgerichtsbarkeit.
Im Gegensatz zu den neu entstandenen Sondergerichtshöfen für
staatsrechtliche Streitigkeiten wurden sie nunmehr als ordent-
liche Gerichte bezeichnet.
Im Anschluß an diese Behördenorganisation hat sich der Be-
griff der Justiz entwickelt. [„Justiz“ ist, im Gegensatz zu „Rechts-
flege“ ein formeller Begriff; man versteht darunter die Tätig-
keit der ordentlichen Gerichte], Diese Tätigkeit umfaßt einerseits
nicht die gesamte Rechtspflege (namentlich nicht die Pflege des
Staats- und Verwaltungsrechts, s. o.), anderseits sind in derselben
Funktion enthalten, welche nicht unter den Begriff der Rechts-
pflege fallen. Die Justiz in diesem Sinne zerfällt in:
der Staat in vermögensrechtlicher Beziehung (Fiskus) wird nach Maßgabe
unseres Rechtes als Privatperson behandelt, welche den Vorschriften des
Erivatrechtes und demnach der Jurisdiktion der ordentlichen Gerichte unter-
worfen ist.