Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 200. 867 
Die betreffende Bestimmung erlangte jedoch nur in Baden 
uneingeschränkte Gültigkeit. Für Württemberg* wurden außer 
der Militärkirchenordnung auch das Militärstrafgesetzbuch und 
die Militärstrafgerichtsordnung sowie die Bestimmungen über Ein- 
quartierung und Flurbeschädigungen von der Einführung aus- 
genommen und bestimmt, daß in dieser Beziehung die württem- 
bergischen Gesetze und Einrichtungen bis zur Regelung im Wege 
der Reichsgesetzgebung in Geltung bleiben sollten. Bayern 
sollte nach dem Bündnisvertrage 5 zunächst seine Militärgesetz- 
gebung behalten „bis zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung über 
die der Bundesgesetzgebung anheimfallenden Materien resp. bis 
zur freien Verständigung bezüglich der Einführung der bereits vor 
dem Eintritt Bayerns in den Bund in dieser Hinsicht erlassenen 
Gesetze und sonstigen Bestimmungen“. Danach war die Ein- 
führung preußischer Bundesgesetze in Bayern ausgeschlossen, die 
Einführung norddeutscher Gesetze entweder durch die Reichs- 
gesetzgebung oder im Wege freier Verständigung zulässig ®, 
Seit Gründung des Reiches hat die Reichsgesetzgebung 
eine umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiete des Militärwesens 
entwickeltg. Durch diese Gesetzgebung ist das deutsche Militär- 
recht neu und einheitlich geregelt worden. Auclı die vom Nord- 
deutschen Bunde erlassenen Gesetze sind zum Teil auf die süd- 
deutschen Staaten und Elsaß-Lothringen ausgedehnt, zum Teil 
durch Reichsgesetze ersetzt worden. Endlich hat in Elsaß-Lothringen 
die Einführung der vor dem Inkrafttreten der Reichsverfassung 
erlassenen Reichsgesetze und in Helgoland die Einführung aller 
Gesetze über Militärwesen und Kriegsmarine? stattgefunden. Die 
ehemals preußischen Militärgesetze haben nunmehr fast 
sämtlich ihre Geltung verloren. Von denselben befindet sich nur 
noch in Kraft die Verordnung vom 23. September 1867, 
betreffend die Heranziehung der Staatsdiener zu 
—_ m a 
* Konv. vom 21./25. November 1870 Art. 10. 
B Yeztr. vom 28: November 1870 Nr. 1IL 851. 
6 Ubereinstimmend: Thudichum, Jahrbuch a, a. O. 66. — Anderer An- 
sicht: Seydel, Kommentar zu Art. 61 Nr. VI, welcher die Worte „freie 
Vereinbarung“ nur auf die Zeit der Einführung beziehen will, 
8 Ein „umfassendes Reichsmilitärgescetz* ım Sinne des Art. 61, d. h. 
eine einheitliche Kodifikation des gesamten Militärrechts, ist nicht erlassen 
worden, vielmehr hat man das Militärrecht stückweise, durch Einzelgesatze 
eregelt. Alle diese Reichsgesetze gelten auch in Bayern, wodurch dieser 
Einzelstaat, von der provisorischen Militärrechtseinheit (oben im Text) eximiert, 
der definitiven Rechtseinheit unterworfen wurde. Die reichsgesetzliche 
Regelung des Militärwesens erstreckt sich insbesondere auf die Wehrpflicht, 
die Grundlagen der Organisation und Gliederung des Heeres, das Kontroll- 
wesen, die Rechtsverhältnisse der Militärpersonen, die Besoldungs-, Ruhe- 
ehalts- und Hinterbliebenenversorgungsverhältnisse der im Heeresdienst 
ngestellten (Offiziere, Unteroffiziere, Militärbeamte), die Fürsorge bei Be- 
triebsunfällen, das Militärstrafrecht und -strafverfahren, die Militärlasten. 
Vgl. das Verzeichnis der einschlägigen Gesetze bei Laband 4 15—17. 
? Kaiserl. V. vom 22. März 1891 Art. 1. 
G. Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht. III. 7. Aufl. 86
	        
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