0904 Zweiter Teil. Drittes Buch. 8 207.
ist verfehlt. Die Prinzipien der absoluten Monarchie sind durch
die Verfassung restlos und unwiderruflich aufgehoben, ihr Wieder-
aufleben oder eine rechtliche Möglichkeit, auf sie zurückzugreifen,
ist ausgeschlossen.
3. Im Ergebnis verwandt mit der vorstehend (zu 2) be-
zeichneten Lehre ist die, wonach bei eintretender Budgetlosigkeit
die Finanzverwaltung von der Regierung „nach den Geboten des
Notstandes“ weiterzuführen seie. Das heißt: an Stelle des nicht
zustandegekommenen Etatsgesetzes tritt das freie Ermessen der
Regierung. Dieser Ansicht steht entgegen, daß die Grundsätze
über das Handeln im Notstande nur für das Privat- und Strafrecht
gelten, auf das Staatsrecht aber nicht tibertragen werden dürfen.
Ein „ius eminens“ der Staatsregierung, welches ihr erlaubt, sich
in den Fällen, welche sie für Notstandsfälle hält, über die Schranken
der Verfassung hinwegzusetzen, gibt es nicht, so wenig wie ein
„Staatsnotrecht“ überhauptf. Auch kann nicht zugegeben werden,
daß der Staatshaushaltsplan zu den Gegenständen gehöre, welche
statt durch Gesetz zutreffendenfallä auch durch Notverordnung
geregelt werden könneng. Diese Ansicht ist, wenn auch vielleicht
mit dem Wortlaut, so doch keinesfalls mit dem Sinn einer Vorschrift
wie Art. 99 der preuß. Verf.-Urk. vereinbarh.
4. Wer in dem verfassungsmäßig vereinbarten Staatshaushalts-
plan die durch nichts ersetzbare Ermächtigung zur Führung der
Finanzverwaltung erblickti, wird nicht umhin können, zu folgern,
daß mit eintretender Budgetlosigkeit die Regierung das Recht zur
Führung der Finanzverwaltung verliert, daß also von da ab über-
haupt keine Finanzverwaltung mehr stattfinden darf. Diese Fol-
gerung ist politisch ebenso widersinnig — denn Stillstand der
Finanzverwaltung ist gleichbedeutend mit Auflösung des Staates —
wie ihr Vordersatz staatsrechtlich unrichtig istk, Das Gesetz über
80 Anm, 51. Gegen’ diese Ansicht: v. Roenne-Zorn, a. a. O. 8 148 Anm, 2;
G. Meyer in der Voraufl. 763; dafür Seydel, Komm. z. RVerf, 396, 397.
e Fricker, Gesetz u. Budget 405 ff.; Schulze, Preuß, StR 2 228, Gegen
letztere Laband 4 529, 530. — Die Notstandstheorie ist im Jahre 1862 auch
von der preuß. Staatsregierung vertreten worden; vgl. die bei v. Roenne-
Zorm a. a, O. 127 Anm. 2 angeführte Rede Bismarcks. Gegen diese Theorie
im Sinne des Textes v. Roenne-Zorn 143 Anm. 1.
f Vgl. oben $ 8 Annı. d.
8 Diese Ansicht ist für das preußische Recht aufgestellt worden von
Bornhak, Preuß. StR 1 544, dem Zorn bei v. Roenne-Zorn a. a. O. 94 und
(mit Vorbehalten) auch Arndt, Komm, 343 folgen.
Ebenso v. Roenne (4. Aufl.) 1 594; Laband, Budgetrecht 80 ff., StR
4 553 Anm. 1; Schwartz, Komm. z. preuß. Veuf. 299,
i So: Lasker, v. Roenne, v. Martitz, Haenel, Zorn; vgl. die Zitate oben
$ 206 Anm. 1. Dieser Ansicht folgte während der Konfliktsperiode 1862
bis 1866 die Mehrheit des preuß. Hauses der Abgeordneten. Vgl. Lasker
a. a. O. 344ff., 355 fl., auch den Bericht der Budgetkommission des H. d.
Abg. vom 11. Febr. 1863, bei v. Roenne-Zorn a. a. O. 129. Vgl. im übrigen
auch oben 8 204a S. 888.
k Oben $ 2042 S. 888, 3 206 S. 897 ff.; Laband 4 583 ff.; Rehm, Allg.
Staatsl. 297 ff.; Anschütz, Enzykl. 189, 190.