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waren, nicht nur roh behandelten, sondern sie auch bevaubt, ja sogar, und-
zwar teilweise in bestialischer Weise, verstümmelt und ermordet haben.
Für die beweglichen Sanitätsformationen ist in den Artikeln 6
und 14 der Genfer Konvention ein besonderer Schutz vorgesehen. Diesen
Bestimmungen zuwider haben französische Truppen deutsche Automobile
mit Verwundeten angegriffen und Sanitätswagen beschossen, obwohl das
Zeichen des Roten Kreuzes deutlich zu erkennen war; auch haben sie
deutsche Lazarette überfallen und ihres Personals und ihrer Ausrüstung
Eraubt.
In völkerrechtswidriger Weise haben sich ferner französische Truppen
gegen den Artikel 9 der Genfer Konvention vergangen, der das Sanitäts-
personal der kriegführenden Heere schützen, ja es sogar als neutral be-
handelt wissen will. Wie sich aus den Anlagen ergibt, wurde der Führer
einer Sanitätskolonne von einem französischen Truppenführer verhaftet
und weggeschleppt und ein Arzt. der einem Verwundeten helfen wollte,
von französischen Truppen erschossen, auch wurden Aerzte und Begleitmann-
schaften eines Sanitätswagens unter Feuer genommen sowie Kranken-
träger bei der Bergung von Verwundeten durch französische Truppen und
Freischärler angegriffen, verwundet und getötet oder zu Kriegsgefangenen
gemacht. Ebenso wurde ein deutscher Feldgeistlicher von französischen
Truppen gefangen genommen und wie ein gemeiner Verbrecher behandelt.
Die kaiserlich Deutsche Regierung bringt mit Entrüstung diese dem
Völkerrecht und der Menschheit hohnsprechende Behandlung deutscher
Verwundeten, deutscher Sanitätsformationen und deutschen Sanitätsper-
sonals zur öffentlichen Kenntnis und legt hiermit gegen die unerhörten
Verletzungen eines von allen Kulturstaaten geschlossenen Weltvertrages
feierlich Werwahrung ein.
Berlin, den 10. Oktober 1914.
Von den zahlreichen aktenmäßigen Anlagen, durch welche die An-
gaben der Denkschrift leider überreichlich erhärtet werden, geben wir die
folgenden wieder:
Beraubung, Verstümmelung und Ermordung
deutscher Verwundeter.
Militärgerichtliche Vernehmung des Grenadiers Peter
Hänseler von der Garde-Ersatz-Brigade.
Verhandelt im Biwak Wald östlich Mississippi Farme, den
7. September 1914, 6 Uhr nachmittags:
Am 5. September früh wurde der Zug Schütze der 2. Kompagnie vor-
geschickt mit dem Befehl, die Eisenbahnbrücke über die Meurthe nördlich
Rehainviller zu besetzen. Der Zug Schütze besetzte das östliche Meurthe-
ufer, von wo aus er die Brücke und das westliche Meurtheufer unter
Feuer halten konnte. Ich befand mich am äußersten rechten Flügel des
Zuges und hatte den Auftrag, den gegenüberliegenden Berg und das Ge-
lände zu beobachten. Als der Befehl zum Rückzug gegeben wurde, geriet
ich in einen Sumpf und blieb in demselben stecken. Als es mir gelungen
war, mich frei zu machen, war der Zug Schütze bereits verschwunden, und
die Franzosen hatten die Meurthe überschritten und mir den Rückzug ab-
geschnitten. Um mich nicht gefangennehmen zu lassen, stellte ich mich tot,
in der Hoffnung, eine Gelegenheit zu finden, mich zum Truppenteil durch-