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glaubigt, beigegeben. In London wurde eine Kommission eingesetzt, die
die Sache weiter — zur Ausbeutung gegen die deutschen „Barbaren“ —
untersuchen sollte. Was aber geschah? Man verhaftete die Schwester der
Grace Hume, ein hysterisches Fräulein namens Käthe Hume. Diese hat
sich die ganze Geschichte in ihren Phantasien erträumt und sie ging so
weit, daß sie jenes Dokument mit sämtlichen belgischen Unterschriften
selbst herstellte. Die „Times“ berichteten über die Verhaftung in sol-
genden kurzen Worten:
„Käthe Hume, Lehrerin in Hamshire, wurde vor den Richter
gebracht unter der Anschuldigung der schweren Urkundenfälschung.
Die Sache hängt mit dem Fall Grace Hume zusammen.“
Die Richter haben Käthe Hume wegen Urkundenfälschung zu drei
Monaten Gefängnis verurteilt. Wegen ihres geistigen Zustandes erhielt
sie für den Fall guter Führung Strafaufschub auf die Dauer von zwei
Jahren. Die Lüge wurde durch die ganze Welt verbreitet — ob die
Wahrheit auch die weite Reise machen wird? (Berl. Tagebl., 16. Okt.)
Amerika gegen England.
ader Londoner Berichterstatter der „Morningpost“ in Washington
meldet:
Die englische Politik hinsichtlich der Konterbande könne die herzlichen
Beziehungen mit Amerika gefährden, wenn die durch die Beschlagnahme
amerikanischer Schiffe verursachte Erregung nicht bald beseitigt würde.
Die britische Regierung handle weder offen noch folgerichtig und erwecke
den Eindruck, daß sie keine bestimmte Politik habe. Die Amerikaner
nähmen übel, was sie für ungerechtfertigte Einmischung hielten. Viele
Kreise glaubten bestimmt, England tue dies alles, um den Aufbau einer
amerikanischen Handelsflotte zu verhindern. Die Erregung würde ver-
schwinden, wenn die englische Regierung eine Erklärung über ihre
Politik abgäbe, so daß die amerikanischen Kaufleute die Lage genau über-
sehen könnten. Je länger der gegenwärtige, höchst unbefriedigende Zu-
stand andauere, desto mehr werde er in der Presse erörtert, werde die
Reibung gesteigert und die Gefahr einer wachsenden Spannung größer.
Die „New Vork World“ schreibt: Es befinden sich nicht viel deutsche
Kriegsschiffe auf dem Ozean. Die Zahl der amerikanischen Handels-
schiffe ist nicht groß. Aber wir hören nichts davon, daß britische Kreuzer
deutsche einfangen, während fast täglich Schiffe mit amerikanischer Flagge
beschlagnahmt und durchsucht werden.
Die „Washington Times"“ meint, die Besorgnis der britischen Regie-
rung vor einem deutschen Angriff auf England scheine so panikartig ge-
worden zu sein, daß Downing Street lieber die Feindschaft der Ver-
einigten Staaten riskiere, als amerikanische Verschiffungen dulde, die die
Ausführung deutscher Pläne fördern könnten.
„Washington Times“ schreibt ferner, die Zeit sei ungeeignet für die
Erneuerung schwieriger Fragen des Freihandels und der Schiffahrts-
rechte, die den Krieg von 1812 veranlaßten. Weder Amerika noch England
wünschten, daß diche Fragen nach einem Jahrhundert der Ruhe durch
einen anderen europäischen Krieg zur Krisis führten. Aber ein solches
Ergebnis werde sicher eintreten, wenn noch viel mehr Beschlagnahmen
einträten. (Tgl. Rundsch., 26. Okt.)