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tretung die Grüße des Kaisers überbrachte, sondern auch der ganzen
Nation den keiserlichen Dank ausdrückte für die beispiellose Aufopferung
und Hingabe für die gewaltige Arbeit, die draußen und daheim von
allen Schichten des Volkes ohne Unterschied geleistet wird. Auch die
Kanzlerrede war ein einziger Ausdruck des felsenfesten und unerschütter-
lichen Vertrauens. Diesmal konnte Herr v. Bethmann Hollweg nicht
nur unserer österreichisch-ungarischen Waffenbrüder gedenken, sondern auch
des Osmanenreiches als eines neuen Bundesgenossen, dessen Arme —
wie er bezeichnend bemerkte — bis an die schwachen Stellen der Welt-
stellung unsere Feinde reichen.
Politisch am bedeutsamsten waren in dieser zweiten Kriegsrede des
Reichskanzlers naturgemäß diejenigen Teile, die abwichen von seiner
ersten Kriegsrede am 4. August. Bekennen wir heute ruhig, daß es uns.
damals schwer bedrückte, Aeußerungen über den deutschen „Neutralitäts-
bruch“ gegenüber Belgien aus des Kanzlers Munde zu vernehmen, die der
ausländischen Deutschenhetze — bei aller Ehrlichkeit der bekundeten Ge-
finnung — überreichliche Nahrung zu geben geeignet waren, obgleich doch
in Wahrheit zum mindesten äußerst zweifelhaft war, ob Belgien überhaupt
noch als ein neutrales Land zu betrachten sei. Wer auch in Kriegs-
zeiten die Fühlung mit dem Auslande nicht ganz verloren hat, weiß, in
wie gehässiger Weise jene Aeußerungen des Reichskanzlers vom 4. August
im Auslande mißbraucht worden sind und wie dieser Mißbrauch auch in
ehrlich neutvalen Ländern eine wenig angenehme Volksstimmung gegen-
über Deutschland zu erzeugen vermochte. Nunmehr hat Herr von Beth-
mann Hollweg den Fall dahin aufgeklärt, daß er durch offizielle Zu-
geständnisse an eine Neutralität, von deren Innehaltung durch Bel-
gien selbst er keineswegs mehr überzeugt war, aus militärischen
Gründen Belgien goldene Brücken bauen wollte, um in der Stunde der
Not das Land doch noch schonen zu können. Nun, Belgien hat diese gol-
denen Brücken nicht betreten, und es wird die Folgen seines eigenen
Heraustretens aus verbürgter Neutralität hinüber in die Reihe der
Feinde Deutschlands selbst zu tragen haben.
In kurzen Umrissen suchte der Reichskanzler weiter ein Gesamtbild
der europäischen Lage in der Zeit seiner Amtsführung zu geben: Der
scharf ausgeprägte Gegensatz zwischen Dreiverband und Dreibund, den er
bei Uebernahme des Kanzlerpostens vorfand, hat ihn gezwungen, einer-
seits eine Verständigung mit der einen oder der anderen Macht des Drei-
verbandes zu versuchen, andererseits für den Fall des Scheiterns solcher
Verständigungswersuche beharrlich die deutsche Wehrmacht weiter auszu-
bauen. Ohne in eine Parteipolemik einzutreten, kann in diesem Zu-
sammenhange wohl hervorgehoben werden, in wie hohem Grade bezüglich
des notwendigen Ausbaues unserer Wehrmacht die nationallibe-
rale Parteii sich in den kritischen Zeiten als mahnendes Gewissen und
treibende Kraft betätigt hat!
Allseitigen begeisterten Beifall fanden die Schlußausführungen des
Kanzlers: seine Dankesworte an die kämpfenden Söhne Deutschlands
draußen auf den Schlachtfeldern und den Meeren, vor deren Heldenmut
wir uns „einigen in dem Gelöbnis, auszuharren bis zum letzten Hauch,
damit Enkel und Söhne in einem stärkeren Deutschland frei und
gesichert vor fremder Drohung und Gewalt an der Größe des Reiches mit-
arbeiten können.“