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funden hat, nichts weiter als eine plumpe Erfindung ist. Welches die
„sichere Quelle“ ist, aus der das Aktenstück stammt, wissen wir nicht; eine
amtliche Stelle in Deutschland ist jedenfalls mit ihm nie befaßt gewesen.
Anscheinend rührt der Geheimbericht von einem französischen Agenten her,
und die Veröffentlichung im Gelbbuch ist nur zu dem Zweck erfolgt, um
Mißstimmung zwischen Deutschland und seinen Bundesgenossen hervorzu-
rufen und die Neutralen, namentlich Holland und Dänemark, gegen
Deutschland aufzuhetzen.
Die ganze Unwahrheit dieses Machwerks wird dadurch gekennzeich-
net, daß darin als Ziel der deutschen Politik hingestellt wird, die Herr-
schaft des Deutschtums über die ganze Welt auszubreiten, die kleinen
Völker zu unterdrücken und alte Gebiete, die vor Jahrtausenden einmal
zum Deutschen Reiche gehört haben, wie Burgund und das Baltikum, für
Deutschland zurückzuerobern. Kein ernster Mann in Deutschland hat
jemals solche Phantasien gehegt.
Ebenso lächerlich sind andere im ersten Kapitel des Gelbbuches ent-
haltene Versuche, durch amtliche Berichte französischer Vertreter in
Deutschland eine deutsche Gefahr für den Weltfrieden glaubhaft zu
machen. Unterzieht man die Dokumente, durch die eine angeblich seit
Jahren vorhandene Kriegslust Deutschlands bewiesen werden soll, einer
näheren Prüfung, so findet man, daß es sich in erster Linie um Berichte
der Militär= und Marineattachés handelt, die offenbar auf Mitteilungen
sehr fragwürdiger Agenten beruhen. Würde die deutsche Regierung ebenso
verfahren, so ließe sich allein mit solchen Schriftstücken ein dickes Buch zu-
sammenstellen. Wir könnten zum Beispiel einen Bericht des Militär-
attachés der kaiserlichen Botschaft in Petersburg vom 10. August 1910
unführen, in dem auf das Zunehmen der auf einen Angriffskrieg mit
Deutschland hinzielenden Bestrebungen im russischen Heere hingewiesen
wird. Der Militärattaché war zu seinem Berichte durch einen Artikel
im amtlichen russischen Militärorgan „Der Invalide“ veranlaßt worden,
der „Gedanken zum 500jährigen Jubiläum des allslawischen Sieges über
die Teutonen“ entwickelte. Der allslawische Sieg in einem Angriffzkriege,
von dem der Artikel handelte und dessen Wiederkehr der Verfasser, Oberst
im russischen Generalstabe Eltschaninow erhoffte, war die Schlacht bei
Tannenberg am 15. Juli 1410.“
Die Verfolgung der Russen.
Amtlich. Großes Hauptquartier, 18. Dez., vorm.
Der Kampf bei Nieuport steht günstig, ist aber noch nicht beendet.
Angriffe der Franzosen zwischen La Bassée und Arras sowie beider-
seits der Somme scheiterten unter schweren Verlusten für den Gegner.
Allein an der Somme verloren die Franzosen 1200 Gefangene und min-
destens 1800 Tote. Unsere eigenen Verluste beziffern sich dort auf noch
nicht 200 Mann.
In den Argonnen trugen uns eigene gut gelungene Angriffe etwa
750 Gefangene und einiges Kriegsgerät ein.
Von dem übrigen Teile der Westfront sind keine besonderen Er-
eignisse zu melden.