Full text: der Weltkrieg 1914. Band 2. (1)

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Großes Hauptquartier, 24. Dezember 1914. 
In der Rede, die Ministerpräsident Viviani in der französischen 
Kammer gehalten hat, befindet sich der Passus, daß Frankreich und Ruß- 
land am 31. Juli dem englischen Vorschlag beigestimmt hätten, die mili- 
tärischen Vorbereitungen einzustellen und in Verhandlungen in London 
einzutreten. Hätte Deutschland zugestimmt, so hätte der Friede noch in 
dieser letzten Stunde erhalten werden können. 
Deo ich diese im französischen Parlament ausgesprochene falsche Be- 
hauptung gegenwärtig von der Tribüne des Deutschen Reichstages nicht 
widerlegen kann, so sehe ich mich veranlaßt, Euer pp. die nachfolgenden 
Darlegungen zuzustellen mit dem Ersuchen, davon den weitestgehenden 
Gebrauch zu machen. 
Der britische Konferenzvorschlag, der im englischen Blaubuch unter 
Nummer 36 abgedruckt ist, stammt vom 26. Juli. Sein Inhalt war, daß 
Vertreter von Deutschland, Frankreich, Italien mit Sir E. Grey in 
London zusammentreten sollten, um dort einen Ausweg aus den Schwie- 
rigkeiten, die in der serbischen Frage entstanden waren, zu suchen. Von 
Anfang an hat Deutschland den Standpunkt vertreten, daß der serbisch- 
österreichische Konflikt eine Angelegenheit ist, die nur die nächstbetei- 
ligten beiden Staaten berühre. Diesen Standpunkt hat auch Sir Edward 
Grey später selbst anerkannt. 
Deutschland mußte den englischen Konferenzvorschlag ablehnen, weil 
es nicht zulassen konnte, daß Oesterreich-Ungarn in einer Frage seiner 
nationalen Lebensinteressen, die nur Oesterreich-Ungarn selbst anging, 
einem Tribunal der Großmächte unterstellt würde. Aus dem deutschen 
Weißbuch geht hervor, daß auch Oesterreich-Ungarn den Konferenzvor- 
schlag als unannehmbar bezeichnete. Durch seine Kriegserklärung an 
Serbien dokumentierte es seinen besten Willen, die serbische Frage ohne 
das Dazwischentreten der Mächte allein zu regeln. Zugleich erklärte es 
aber, um alle gerechten Ansprüche Rußlands zu befriedigen, sein voll- 
kommenes territoriales Desinteressement Serbien gegenüber. Da Ruß- 
land sich nicht mit dieser Versicherung begnügten, war aus der serbischen 
Frage eine europäische geworden, die zunächst in einer Spannung 
zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland ihren Ausdruck fand. Um zu 
verhindern, daß aus dieser Spannung eine europäische Konflagration sich 
entwickelte, mußte ein neuer Boden gesucht werden, auf dem eine Ver- 
mittlungsaktion der Mächte sich anbahnen konnte. Es war Deutschland, 
dem das Verdienst gebührt, diesen Boden zuerst betreten zu haben. 
Staatssekretär v. Jagow wies in seinem Gespräch mit dem britischen 
Botschafter am 27. Juli darauf hin, daß er in dem Wunsche Rußlands, 
mit Oesterreich-Ungarn direkt zu verhandeln, eine Entspannung der 
Lage und die beste Aussicht auf eine friedliche Lösung erblickte. Diesem 
Wunsch, durch den die englische Konferenzidee auch nach russischer Mei- 
nung vorläufig ausgeschaltet war, hat Deutschland von dem Tage, wo er 
geäußert wurde, mit aller Energie, die ihm zu Gebote stand, in Wien 
unterstützt. Kein Staat kann ehrlicher und energischer danach gestrebt 
haben, den Frieden der Welt zu erhalten, als Deutschland. 
 
	        
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