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Die Bilanz des Krieges.
Was wir bis jetzt erreicht haben.
Unter diesem Titel schreibt v. S. in der „B. Z. am Mittag"“:
Fünf Monate sind verflossen, seitdem der Mobilmachungsbefehl er-
lassen wurde und der große Weltkrieg begann, in dem wir noch begriffen
sind und dessen Ende sich noch gar nicht übersehen läßt. Der Jahreswechsel
gibt aber Veranlassung, den bisherigen Verlauf zu überblicken und sich
zu fragen: was haben wir denn in dieser Zeit erreicht, und wie steht die
Kriegslage. Jeder wird wohl in diesen Tagen die Bilang des Krieges
ziehen, um sich daraus ein Bild über die künftige Entwicklung zu machen.
Was wir erreicht haben? — Viel, sehr viel. Zunächst ist es gelungen,
den Krieg auf beiden Fronten auf feindliches Gebiet zu tragen und seine
Schrecken dem eigenen Lande zu ersparen. Im Westen ist dies von
Anfang an der Fall gewesen, nur unbedeutende Teile der Reichslande
haben die Franzosen auf ihrem Boden gesehen. Dies war in der Gegend
von Mülhausen, als die Franzosen Anfang August einen Vorstoß von
Belfort her unternahmen, der sie vorübergehend in den Besitz von Mül-
hausen brachte und südlich Metz, als eine starke feindliche Armee am
20. August einen großen Einfall nach Deutsch-Lothringen unternahm.
Beide Vorstöße wurden aber unmittelbar an der Grenze abgewiesen. Jetzt
find nur noch einige taktisch ungünstig gelegene Ortschaften in den Vogesen
im feindlichen Besitz. Im übrigen stehen unsere Heere in Westflandern
und Nordfrankreich und haben bisher in ihren Stellungen alle feindlichen
Angriffe erfolgreich abgewiesen.
Im Osten konnte zu Beginn des Krieges der Einfall der Russen in
Ostpreußen allerdings nicht gehindert werden, und diese Provinz hat schwer
unter den Feinden zu leiden gehabt, aber bald davrauf wurden die Russen
in mehreren Schlachten entscheidend geschlagen, zum Teil vernichtet und
Ostpreußen von den Feinden befreit. Jetzt wird die Grenze erfolgreich
gegen alle Angriffe stärkerer feindlicher Abteilungen gehalten, wobei
allerdings aus taktischen Gründen die Stellungen der Grenzschutztruppen
nicht überall unmittelbar an der Grenze liegen, sondern stellenweise etwas
zurückverlegt sind, so daß die Russen einzelne Grenzorte vorübergehend
besetzen konnten. Auch ist es ihrer Kavallerie gelegentlich gelungen, im
Norden über die Grenze vorzugehen, sie ist aber nirgends weit in das
Innere des Landes gekommen, sondern sehr bald wieder zurückgetrieben.
Unser Ostheer steht aber im siegreichen Kampfe in Westpolen, dicht vor
den Toren Warschaus und an der Weichsel, nachdem es das große russische
Millionenheer bis dorthin zurückgeworfen hat.
Trotzdem wir gezwungen waren, den Krieg nach zwei Fronten zu
führen, auf deren einen uns gleichzeitig drei Mächte gegenübertraten, die
ihre Heere noch durch weither geholte Kolonialtruppen verstärkten, auf
deren anderer ein zahlenmäßig weit überlegenes Millionenheer zu be-
kämpfen war, sind wir im Verlauf des Krieges auf beiden Stellen offensiv
geworden, haben die Feinde in ihrem eigenen Lande aufgesucht und stehen
mit unseren siegreichen Heeren auf feindlichem Boden. Das ist viel, sehr
viel. Großes haben unsere tapferen Heere schon erreicht. Allerdings
müssen wir uns gleichzeitig klar sein, daß noch vieles zu tun ist, bis die
Gegner wirklich niedergerungen sind und zum Abschluß eines uns genehmen