Artikel 29, 30. Beschränkungen außerhalb des Polizeirechts. 525
das Recht haben, ihre Beamten von Vereinen und Versammlungen
fernzuhalten, deren Zwecke dem Wesen des Beamtentums widerstreiten.“
Das RV steht demnach nicht entgegen z. B. der in der Reichstags-
kommission (Komm Ber a. a. O. 12) getadelten ablehnenden Haltung der
Reichspostverwaltung gegenüber den Organisationsbestrebungen der Post-
unterbeamten, den preußischen Ministerialerlassen vom 10. April und
11. Mai 1850 (Min Bl der inneren V. 96ff., 122ff., auch bei Delius
a. a. O. 225, 226) betr. die Beteiligung von Beamten an Vereinen, welche
eine der Staatsregierung feindliche Tendenz verfolgen, den Bestimmungen
der Universitätsstatuten und akademischen Disziplinarvorschriften, welche
die Bildung studentischer Vereine und die Veranstaltung studentischer
Versammlungen, Aufzüge usw. von der Genehmigung der Universitäts-
behörden abhängig machen (vgl. weitere Angaben bei Stier-Somlo
a. a. O. 36ff.). Für das Militär ist der Grundsatz, daß die Disziplin
nicht an der Vereins- und Versammlungsfreiheit, sondern umgekehrt
die Vereins- und Versammlungsfreiheit an der Disziplin ihre Schranken
findet, durch die Verfassung selbst, Art. 3g9:
„Auf das Heer finden die in den Artikeln 29, 30.. ent-
haltenen Bestimmungen nur in soweit Anwendung, als die mili-
tärischen Gesetze und Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen“
ausdrücklich ausgesprochen. Die dort in bezug genommenen „militärischen
Gesetze“ sind jetzt Reichsgesetze, vgl. namentlich Art. 38 (kraft R#V Art. 61
Reichsgesetz, s. unten 578ff.), ferner RMilG vom 2. Mai 1874, § 49 Abs. 2
(Verbot der Teilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen),
Mil StrGB vom 20. Mai 1872, § 101, 113 (unten 579, 580); ihre Fort-
geltung nach dem Inkrafttreten des RVG folgt also, abgesehen vom
RVG F§K1 Abs. 2 auch aus § 23 Abs. 2 daselbst. Durch die Vorschrift des
Mil G +49 Abs. 1 Satz 2 sind die Militärbehörden nicht gehindert, die
Vereins- und Versammlungsfreiheit der ihrer Dienstgewalt unterworfenen
Personen noch weiter einzuschränken; geschehen ist dies namentlich durch
die Bekanntmachung des Kriegsministers betr. das Verbot der Be-
teiligung von Unteroffizieren und Mannschaften an Vereinigungen,
Versammlungen usw., vom 30. August 1904 (abgedruckt bei Delius 224,
225). Für alle diese besonderen Freiheitsbeschränkungen der Beamten,
Militärpersonen und sonstigen unter Disziplinargewalt Stehenden gilt
sinngemäß das oben 506, 507, 510 Gesagte. Die disziplinwidrige Be-
teiligung an einer Versammlung kann immer nur zu einer disziplinaren,
eventuell kriminellen (Mil StrGB §§ 101, 113) Bestrafung des Schuldigen,
nie aber zu polizeilichen Maßregeln gegen die Versammlung (Verbot,
Auflösung) führen. —
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