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MEYER! und OTTO MAYER !®% annehmen, die in erster Linie Ob-
jekte der Staatsherrschaft und dem Staat nur durch Pflichten ver-
bunden sind, während für Rechte gegenüber dem Staat kein Raum
sei. Gewiß hat es Zeiten gegeben, in denen auch dies richtig war.
Aber damit gewinnen diese Sätze keine allgemeine Gültigkeit; "eine
gemeinheitliche Pflichtstellung ist begrifflich noch lange keine aus-
schließliche oder vorwiegende Pflichtstellung, sondern sie enthält
begriffsnotwendig zugleich ihre Begrenzung in sich selbst — sie
enthält begrifflich das Recht auf Anerkennung der gemeinheitlichen
und der außerhalb des Gemeinwesens stehenden freiheitlichen Rechts-
sphäre der Persönlichkeit des Mitglieds. Und wenn einmal diese
positive Seite dergestalt verkümmert, daß so gut wie nichts da-
von übrig bleibt, dann liest auch kein Gemeinwesen mehr vor.
sondern eine Anstalt, als welche sich der absolute Staat in seiner
wahren Durchführung stets darstellen wird, sofern man ihm über-
haupt Staatspersönlichkeit zubilligen kann.
Wenn dieses Wesen der Staatsangehörigkeit von der Pflicht-
stellung her zu untersuchen ist, so ist der Grund hierfür nicht, daß
der Staatsangehörige der Staatsgewalt zunächst schrankenlos unter-
worfen wäre, mit der Maßgabe, daß im Einzelfall quantitative
Unterschiede bestehen können, sondern der Grund hierfür ist der,
daß die Betrachtung das Verhältnis des Individuums zu einem be-
stimmten Staat ergründen will, also vom Staat auszugehen hat und
nicht von der Lebenssphäre des Individuums, die sich als Begrenzung
und Beschränkung der staatlichen Sphäre darstellt. Wer dagegen
die Untersuchung darauf abstellt, was das Wesen des Staats aus-
mache, wird notwendig dazu kommen müssen, von der durch den
Staat bedingten Begrenzung der individuellen Lebenssphäre aus-
160 Lehrbuch des deutschen Staatsrechts 3. Aufl. S. 180 fl.
1608 Deutsches Verwaltungsrecht 2. Aufl. Bd.1 8.15, 65 ff.; wie OÖ. MAYER
die ganze auf ihm beruhende Schule. Alle diese Lehren gehen zurück auf
die von GERBER, die öffentlichen Rechte (1852) erstmalig konsequent durch-
geführte sog. Mehrwerttheorie.