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Das Petrinische Thronfolgegesetz hatte nun thatsächlich
nachdrücklichen Einfluss das ganze Jahrhundert hindurch: Nach
dem Tode Prrers Des Grossen wurde KarHarına ]. zur Kaiserin
erhoben, auf Grund des vermutheten stillschweigenden Testa-
mentes des Zaren, das man in der vom Kaiser der Kaiserin
gewährten Krönung ausgedrückt wissen wollte Neben der
Kaiserin war bekanntlich der Enkel des Kaisers, ein Sohn des
verurtheilten Kronprinzen Arzxrı vorhanden, nämlich der nach-
malige Kaiser Prrer 11.
Karuarına I. machte von dem Petrinischen Thronfolgegesetz
ausdrücklichen Gebrauch; aber gleichzeitig nahm sie für sich
dabei ein Recht in Anspruch, das dem Throngesetz ihres Gemahls,
auf das sie sich berief, zweifellos widersprach, denn sie errichtete
eın Testament, in dem sie den nachmaligen Kaiser Prrrr 11.
zum nächsten Nachfolger einsetzte, diesem hatte dessen Descen-
denz zu folgen, nächstdem die Tochter der Kaiserin: Anna Vox
Horsteın und deren Descendenz, nach deren Aussterben dann
die zweite Tochter der testirenden Kaiserin, die nachmalige
Kaiserin EuisasertH, thronberechtigt wurde. Hier war also in
Ausführung des Petrinischen Gesetzes testamentarisch ein
ganzes Lineal- (und wahrscheinlich) Primogenitursystem entwor-
fen, das selbstverständlich dem Grundprincip des Petrinischen
Gesetzes widersprach, dem gemäss nur der jeweilig herrschende
Monarch über die nächste Thronfolgefrage zu entscheiden ver-
mochte, denn es handelte sich dabei um eine factische Zweck-
mässigkeitsfrage. Ihre Vermächtnissbefugniss gründete die Kai-
serın dennoch, wie schon bemerkt wurde, auf das Gesetz ıhres
Gemahls von 1722.
Psrter Il. wurde 1727 Kaiser; 1730 starb er kinderlos. Von
einer ordnungsmässigen Thronfolge war dieses Mal keine Rede
mehr. Die stark gewordene Oligarchenpartei suchte für sich
damals bekanntlich ein gefügiges Organ an der kurländischen
Herzogin Anna, einer Bruderstochter des grossen Kaisers. Diese