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I. Im unmittelbarsten Wortsinne deutet das Wort „Un-fall®
auf ein dem Menschen widriges d.h. ein solches Ereigniss hin,
welches seinen Interessen in irgend welcher Weise zuwider ist.
Schon an diesem Punkte setzt die Besonderheit der vorliegenden
Materie ein. Der Unfall, der für die Ausführung jener Reichs-
gesetze allein in Betracht kommt, ist den Interessen eines Menschen
dadurch zuwider, dass er sich als Eingriff in seine körperliche
Integrität darstellt. Der Tod oder die Körperverletzung eines
Menschen sind hier, wie im Haftpflichtgesetze, die Erscheinungs-
formen des Unfalls; nur „körperliche Unfälle“, wie die Policen
der privaten Unfallversicherung zu sagen pflegen !°), oder, wie
mir passender erscheint, nur körperschädigende Ereignisse
kommen hier in Betracht.
Es ergibt sich daraus sofort, dass alle Ereignisse, welche
ohne Vermittlung einer Tödtung oder Körperverletzung materiellen
Schaden verursachen, aus dem Begriff des Unfalls auszuschliessen
sind. Ereignisse, welche den Betrieb stören oder unterbrechen
und dadurch dem Unternehmer oder auch den Arbeitern, welche
erwerbslos werden, den grössten Schaden verursachen, sind doch
als solche keine Betriebsunfälle, für welche der versicherte Unter-
nehmer 2°) oder seine Arbeiter eine Entschädigung zu verlangen
berechtigt wären. Denn nicht „Unfälle des Betriebes“, sondern
„Unfälle von Menschen beim Betriebe“ bilden den Gegenstand
der gesetzlichen Fürsorge ?!). Ebenso ist treffend bereits von
anderer Seite 2?) hervorgehoben worden, dass Sachbeschädigungen,
welche die versicherten Personen z. B. an ihren Kleidern durch
ein betriebswidriges Ereigniss erleiden, auf Grund der Unfall-
19) HoneseEer: Der Begriff des Unfalls (accident) in der sogen. Un-
fallversicherung. Züricher staatswissenschaftliche Dissertation, welche ledig-
lich auf die private Unfallversicherung bezüglich ist (1885).
20) S, oben Note 9.
21) Arb.Vg. (Arbeiter-Versorgung) III, S. 78: „nach Zweibrücken.“
22) v. Wöprtke: Commentar zum Unf.G. 3. Aufl. (1887), S. 103. Com-
mentar zum landw. G. (1886), $S. 88.
Archiv für öffentliches Recht. IH. 2. 3. 20