— 431 —
Missbrauch, den die Justizverwaltung mit der Ausbeutung der unent-
geltlichen Dienste der Referendare getrieben und die landläufigen,
auf vollständiger Unkenntniss beruhenden Vorwürfe gegen die Preus-
sischen Universitätslehrer. Diese mit grosser Lebhaftigkeit geschrie-
bene Darstellung lässt keinen Zweifel, dass einerseits der Preussische
Juristenstand im Ganzen und Grossen sich nicht auf derselben Höhe
wissenschaftlicher Bildung befindet, wie in den meisten anderen
Culturstaaten, und dass es andererseits an dem guten Willen, die
zur Abhülfe geeigneten Massregeln zu treffen, bei den massgebenden
Factoren gefehlt hat.
Nach dieser Feststellung des gegenwärtigen Standes der Ange-
legenheit wendet sich der Verf. in dem zweiten Abschnitt (S. 105 bis
259) der Darstellung „der geschichtlichen Ursachen des wissenschaft-
lichen Rückganges“ zu. Dieser Abschnitt hat den Charakter einer
rechtsgeschichtlichen Monographie, welche mit der ganzen Fülle der
Gelehrsamkeit ausgestattet ist, über welche der Verf. gebietet. Die
historischen Erörterungen beginnen mit der Reception des Römischen
Rechts und der Entstehung des gelehrten, aus dem weltlichen Juristen-
stande entnommenen Beamtenthums. Der Verf. verfolgt dann die
Entwicklung im Reich, die Einrichtungen der Universitäten, die Dauer
der Universitätsstudien, die Bedeutung der academischen Würden, den
Zusammenhang zwischen den Rechtsfacultäten und den höheren Be-
amtenstellungen und den Beginn der Reglementirung durch praktische
Examina. Auf Grund dieser allgemeinen Erörterungen wendet er sich
dann den Einrichtungen in Brandenburg-Preussen und ihren allmäh-
lichen Umgestaltungen seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zu. Von
besonderer Wichtigkeit sind die Ausführungen des Verf. über die
Reformen Friedrichs II. und über die ursprüngliche Stellung der Aus-
cultatoren und Referendare. Es ergibt sich daraus ein dreifaches be-
deutungsvolles Resultat: 1. die wissenschaftliche theoretische Ausbil-
dung musste bereits vor dem Eintritt in das Referendariat vollständig
erworben sein; 2. das Referendariat stand im engen Zusammenhange
mit der Unterscheidung des höheren und niederen Justizdienstes; end-
lich 3. die Processordnung und Gerichtsverfassung ermöglichten eine
für die praktische Ausbildung nützliche Beschäftigung und selbständige
Thätigkeit der Referendare. Es ist ein wissenschaftliches Hauptver-
dienst der vorliegenden Schrift, diese Verhältnisse und ihre praktische
Bedeutung vollkommen klar dargelegt zu haben.
Die folgende Darstellung zeigt, wie diese Grundlagen nach allen