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recht‘ gebildet ist, nämlich in die Anschauung, als ob das „Völker-
recht‘‘ als solches, sich auch mit der Aufgabe zu befassen habe,
das Recht der ‚Völker,‘ gegen die Regierenden zu sichern; und
als ob — was .das Wichtigste ist — das Völkerrecht ausschliess-
lich ein unter allen Umständen feststehendes originäres Recht
der „Völker‘ als solcher, und nieht auch ein „Recht der Staats-
gebiete“ enthält, aus welchem ganz andere Schlüsse gezogen
werden können und müssen, als wenn man eben lediglich die
Individuen in Betracht zieht, welche ein solches Gebiet bewohnen.
Es muss daran festgehalten werden, dass, wie oben gesagt
wurde, der Staat der Einzelpersönlichkeit vergleichbar ist, d. h.
dass das „Land“ nicht etwa wie eine Sache gedacht werden dürfe,
welcher das ‚„Volk“ — auch im ganz richtigen, modernen Sinne
gefasst — gleichsam als privatrechtlicher Eigenthümer gegenüber-
steht: es verhalten sich vielmehr Land und Volk zu einander so,
wie bei der Einzelpersönlichkeit, Körper und Geist. Das Land
ist das materielle Element, innerhalb dessen sich das lebendige
Element, „das Volk“ zu bethätigen hat; aber trotzdem ist doch
auch das nur eine Analogie, die nicht ganz und gar dem Wesen
der Sache entspricht, denn der menschliche Körper ist allerdings
etwas begrifflich Untheilbares „Individuelles“, von dem eben kein
Theil etwa an einen andern Körper abgetreten werden kann,
während in dem Verhältnisse des Volkes zum Landgebiete eine
Art dinglichen Rechtes zum Ausdrucke gelangt, welches eine Ver-
fügung über das Landgebiet und dessen einzelne Theile sehr wohl
ermöglicht. —
Es sind also ganz sicherlich gewisse Rechtstitel denkbar, auf
Grund deren sich auch innerhalb einer völkerrechtlich festge-
fügten Staatengesellschaft eine Aenderung der Länderconfigu-
ration vollziehen kann, und es ist also die Frage, um welche es
sich hier handelt, so zu stellen: Auf welche Weise wäre selbst
innerhalb eines Staatensystems die Veränderung einer einmal