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biete und, an zweiter Stelle, die gesammten Staaten für ihr ge-
meinschaftliches Gebiet. Der einzelne Staat hat eine beschränkte
aber unbedingte Macht, die Staatengesamnitheit eine unbeschränkte
aber bedingte.
Erstlich also ist jeder einzelne Staat Vertreter der centralen
Weltregierung. Er ist es, weil der Weltverkehr über die Grenzen
seines Crebiets hineinströmt, und sich in diesem Gebiet Verhält-
nisse des internationalen Privatrechts bilden, welche Normirung
brauchen und auf Schutz Anspruch machen. Der Staat hat
diese Normirung zu geben, diesen Schutz zu verleihen. Seine
Pflicht dazu folgt aus seiner Stellung der menschlichen Gesell-
schaft gegenüber. Dieser Gesellschaft hat der Staat das für
ihre Ausbildung nöthige Recht zu versichern; fordert nun diese
Ausbildung, dass der Staat sich auf den Standpunkt des Beob-
achters der allgemein-menschlichen Gesellschaft stelle, so hat der
Staat die Pflicht dies zu thun. Dass ein äusserer Zwang dazu
fehlt, ist ohne Bedeutung, da auch für die nationale Gesellschaft
die Thätigkeit des Staates nur auf dem Bewusstsein des Staates,
dass er eine Pflicht zu erfüllen hat, ruht. Was aber wohl von
Bedeutung, ist, dass es hier nicht eine Pflicht den anderen
Staaten gegenüber gilt, sondern regelrecht eine Pflicht der all-
gemein-menschlichen Gesellschaft gegenüber. Diese Pflicht recht-
fertigt für den einzelnen Staat die Ausübung seiner thatsächlich
souveränen Macht.
An zweiter Stelle wird die centrale Organisation der allgemein-
menschlichen Gesellschaft durch die Gesammtheit der Staaten
vertreten. Auch auf dieser Gesammtheit ruhen Pflichten der
Gesellschaft gegenüber, und diese Pflichten rechtfertigen die
Ausübung der thatsächlichen Macht, welche die Gesammtheit
besitzt. Auch hier treten somit gemeinschaftliche Pflichten der
Gesellschaft gegenüber in die Erscheinung, nicht völkerrechtliche
Verhältnisse zwischen Staaten, weil diese Pflichten sich nicht
gründen auf die mehr oder weniger entwickelte Rechtsgenossen-