— 220 —
Verletzungen der Bestimmungen über unerlaubte Mittel der Kriegfüh-
rung (n. 1485) haben sich die feindlichen Staaten im jetzigen Kriege viel-
fach vorgeworfen; indessen steht dabei nicht Rechtsauffassung gegen Rechts-
auffassung, sondern Tatsachenbehauptung gegen Tatsachenbehauptung. Wird
von französischer Seite bebauptet, daß deutsche Befehlshaber ihren Truppen
das Quartiergeben verboten hätten, so wird von Deutschland nicht erwidert,
daß sie den Umständen nach erlaubt gewesen, sondern wir bestreiten die
Richtigkeit der Tatsache solchen Befehls. Wenn dagegen FIoRE als uner-
laubtes Mittel der Kriegführung den Ausschluß feindlicher Untertanen vom
Privatrechtsschutz bezeichnet, so erkennen England und Frankreich diese
Regeln nicht als ihr Recht an und Deutschland war genötigt, im Weg der
Vergeltung dieser Auffassung zu folgen.
Die Personen, die ohne zu den kriegführenden zu zählen, Feindselig-
keiten begehen, stehen nicht unter Kriegsrecht; sie werden vom Gegner
nach gemeinem Strafrecht als malfattori, briganti o pirati abgeurteilt (n. 1506).
Das entspricht unserer Auffassung. Wenn FIORE aber hinzufügt, daß die
Angehörigen des feindlichen Staates, die keine „atti di ostilitä“ begehen,
als friedliche Bürger zu betrachten und selbst im Kriegsgebiet in ihrer
gewöhnlichen Beschäftigung ungestört zu belassen seien, so wird das an
der Macht der Tatsachen scheitern; hier ist durch den heutigen Stellungs-
krieg mit seiner völligen Verwüstung des betrofienen Gebiets, durch das
monatelange, vielleicht jahrelange aktuelle Fechten am selben Platz ein
novum gekommen, dem das Völkerrecht sich wird fügen müssen,
Aehnliches gilt von den Regeln über das Bombardement. Die Be-
schränkung auf befestigte Plätze, die für den Luftkrieg zur Not festge-
halten werden kann, ist im Stellungskrieg unhaltbar geworden. Das, was
früher für die Belagerung (assedio, n. 1516 fg.) galt, paßt auf die Be-
schießungen im Stellungskrieg eher, als die Regeln über die Beschießung
im engeren Sinn (bombardamento, n. 1524 fg.). Doch sei hervorgehoben,
daß die Regeln über den besonderen Schutz der öffentlichen Anstalten des
Friedens und der Kunstwerke durchaus der deutschen Auffassung ent-
sprechen und daß wir niemals auch nur im Geringsten gegen die Vorschrift
verstoßen haben, die Fıior£ in n. 1532 formuliert: Sara reputato atto di
vera barbarie il distruggere i porti di commercio, gli edifici pubblici dest-
inati a scopo pacifico, gli oggetti di scienze ed arti e le collezioni esis-
tenti in edifizi privati o pubbliei, anche quando il belligerente siasi im-
padronito di una cittä in seguito all’ attacco, all’ assedio e alla resa in
conseguenza del bombardamento. Wir haben das Gebot, das in dieser Ver-
botsregel steckt, überall in den kampflos besetzten Orten aufs gewissen-
hafteste und gründlichste befolgt; aber auch in den Städten, die wir durch
Sturm, Belagerung oder Uebergabe nach Beschießung besetzt haben, ist
sofort alles mögliche zur Erhaltung jener Schutzobjekte geschehen. Daß
sie bei der Beschießung selbst nicht getroffen werden, beim Sturm nicht