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3. Diese beiden ersten Ansichten führen zu der Folgerung,
dass dem Reiche gegenüber ein verschiedenes Recht über die
Zuständigkeit der Behörden und die Zulässigkeit des Rechtswegs
gilt. Ein einheitliches Recht wird dem Reiche gegenüber in zwei
Entscheidungen des Reichsgerichts *” gefordert. Denn die gesetz-
lichen Vorschriften über die Abgrenzung der Gebiete der Justiz-
und Verwaltungsbehörden gehörten dem innern Staatsrechte der
einzelnen Staaten an, hingen mit dem innern Staatsorganismus
zusammen und dienten namentlich dem Schutze der Ausübung
der Hoheitsrechte des Staats. Das Deutsche Reich sei aber ein
von den einzelnen Bundesstaaten verschiedener Staat und besitze
eigene Hoheitsrechte. Wenn daher ein Anspruch gegen das Reich
auf einem zu dessen Zuständigkeit gehörenden Gebiete geltend
gemacht werde, seien diejenigen Normen anzuwenden, welche nach
allgemeinen staatsrechtlichen Grundsätzen über die Abgrenzung
der Gebiete der Justiz und Verwaltung und über die Frage ge-
geben seien, ob es sich um einen gerichtlich verfolgbaren Anspruch
oder um eine Verwaltungsmassregel handle.
II. Ich vermag mich der letzteren Anschauung nicht anzu-
schliessen. Es ist unmöglich, allgemeine staatsrechtliche Grund-
sätze über die Trennung von Justiz und Verwaltung aufzustellen,
wenn die Anschauungen über den Staat so grundverschieden sind,
wie die französischen und die deutschen: die französische An-
schauung, welche in dem Staate auch in seinen vermögensrecht-
lichen Beziehungen regelmässig ein hoheitsrechtliches Gebilde
sieht, ist ganz unvereinbar mit der deutschen Lehre, welche den
Staat in seinen vermögensrechtlichen Beziehungen als Fiskus den
Zivilgerichten unterwirft. Wo aber keine Berührungspunkte vor-
handen sind, lassen sich auch keine gemeinsamen Regeln ent-
wickeln, und ich glaube daher, dass man sich für die erste oder
die zweite Ansicht entscheiden muss.
4% v1. Juli 1881 Entsch. in Zivils. Bd. 5 S. 40 f. v. 2. Februar 1884 Entsch.
in Zivils. Bd. 11 S. 67—75.