Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Die erstere, nach welcher die Behörde eines Einzelstaats ihre 
Zuständigkeit dem Reiche gegenüber nach denselben Regeln wie 
ihre Zuständigkeit dem Heimatsstaate gegenüber beurteilt, hat 
den Vorteil der grösseren Einfachheit. 
Trotzdem schliesse ich mich der zweiten Ansicht an; denn 
das Reich steht in einem jeden Staate wie eine ausländische Per- 
sönlichkeit da, und es ist daher richtig, wenn die Landesbehörden 
dem Reiche gegenüber dasjenige Recht auch für die Zuständig- 
keit in Anwendung bringen, auf welches ihre international-recht- 
lichen Bestimmungen verweisen. 
III. Die Gewalt der Tatsachen wird aber vermutlich eine 
andere Lösung der Frage herbeiführen. Die Rechtsprechung des 
Reichsgerichts wird voraussichtlich einer Vereinheitlichung des 
dem Reiche gegenüber anzuwendenden Rechts zuneigen. Möglich 
ist, dass die staatsrechtlichen Grundsätze des führenden deutschen 
Staats, weil ihm die Mehrzahl der Mitglieder des Reichsgerichts 
angehört, dem Reiche gegenüber das Uebergewicht erlangen wer- 
den 5%. Wahrscheinlicher ist aber die Entwicklung, dass das 
Reichsgericht im Sinne einer Vereinheitlichung immer mehr die 
gerichtliche Zuständigkeit in den das Reich betreffenden Fragen 
bejahen wird. Auch folgert die Entscheidung des Reichsgerichts 
vom 2. Februar 1884 (Bd. 11 S. 67—75) aus der Begründung 
des Entwurfs zum Gerichtsverfassungsgesetze, es sei in Deutsch- 
land schon in dem Jahrzehnte vor Gründung des Deutschen Reichs 
das Bewusstsein wach geworden, dass die Gerichte berufen seien, 
vermögensrechtliche Streitigkeiten zu entscheiden, auch wenn Nor- 
men des öffentlichen Rechts anzuwenden seien. Denn ihre un- 
abhängige Stellung, Rechtskenntnis und Uebung in der praktischen 
Rechtsanwendung gebe die denkbar grösste Garantie für eine 
objektiv gehaltene, sachgemässe Entscheidung. Das Ansehen des 
Reichsgerichts wird daher vermutlich eine Ausdehnung der gericht- 
lichen Zuständigkeit dem Reiche gegenüber herbeiführen. 
  
60 Orro MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht Il 8 62 Anm. 24. 1816 Anm. 10.
	        
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