— 207 —
Krankenversicherungsrecht mit seinem System der Pflichtmitglied-
schaft, der Mindestleistungen und des Zwangs enthält so viel von
dem Geiste des öffentlichen Rechts, dass die Rücksichtnahme auf
das Versehen der Beteiligten und der Ausschluss von Einreden
gegen die rechtswidrige Mitgliedschaft einen bedenklichen Rück-
fall in das Gebiet des Privatrechts bedeuten würde °*. Der Satz:
„Jura vigilantibus scripta sunt“ hat hier keine Kraft; man könnte
an seine Stelle setzen: „Jura omnibus scripta sunt“, denn jeder
unterliegt dem öffentlich- rechtlichen Zwang, niemand darf sich
ihm entziehen, und wenn ein Verstoss gegen die gesetzlichen oder
statutarischen Vorschriften aufgedeckt wird, so kann verlangt
werden, dass er mit seinen Folgen beseitigt werde. Die Ver-
Jährungsfrist ist im Invaliden- und Krankenversicherungs-
recht nicht besonders geregelt. Da keine der kurzen Verjährungs-
fristen des B.G.B. auf das Verhältnis zwischen den Arbeitgebern
oder den Versicherten und der Versicherungs-Anstalt, Kranken-
kasse u. s. w. Anwendung findet, und da im L.V.G. wie im Kr.V.G.
nur die Verjährung des Anspruchs der Versicherungsstelle auf
Zahlung der Beiträge ausgesprochen ist (zwei Jahre nach $ 168
LV.G., Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahrs nach $ 55
Abs. 1 Kr.V.G.), so würde an sich die dreissigjährige Verjäh-
rung des $ 195 B.G.B. für den Erstattungsanspruch gelten. Es
darf indessen nicht übersehen werden, dass nach Artikel 104
des Einführungsgesetzes zum B.G.B. die landesgesetzlichen Vor-
schriften über den Anspruch auf Rückerstattung mit
Unrecht erhobener öffentlicher Abgaben un-
berührt bleiben. Die herrschende Meinung rechnet zu diesen
Vorschriften auch die über die Statthaftigkeit der Rückforderung,
ihre zeitliche Dauer und ihre Verjährung ®°. Da nun die Kranken-
% Die Begründung einer Unterstützungspflicht durch die irrtümliche
Annahme von Krankenkassenbeiträgen ist ausdrücklich verneint in der „Ar-
beiterversorgung* Bd. 15 8. 48.
*® FiSCHER-HEnLe B.G.B. S. 1055 Anm. zu Art. 104.