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Unparteilichkeit besitzen soll. Es ist von der grössten Wichtig-
keit, dass ein Richter nicht bloss unparteiisch ist, sondern auch
unparteiisch erscheint. Das Benehmen des hier fraglichen Richters
war ein höchst bedauerliches. Gedankenlosigkeit wird wahrschein-
lich zu Grunde gelegen haben. Würde der Richter sich klar
gemacht haben, zu welchen Schlüssen seine Aeusserungen Ver-
anlassung gaben, so würde er dieselben gewiss unterlassen haben.
Zur weiteren Begründung des Antrags hat man auf mehrere
humoristische Bemerkungen des Richters hingewiesen. Es ist
sprichwörtlich, dass unter den verschiedenen Klassen von bons
mots die richterlichen eine sehr niedrige Stelle einnehmen. Die
dem richterlichen Humor entsprühenden Funken gewinnen un-
gemein durch ihre Fassung und Umgebung; sie kommen aus einer
höheren Sphäre und werden von denen, welche gezwungen sind,
dieselben anzuhören, hingenommen, genossen und verziehen. Den
richterlichen bons mots darf man nicht zu grosse Bedeutung bei-
legen; die Versuchung ist für den Richter derartig überwältigend,
dass er an die Möglichkeit einer ernsthaften Auslegung wohl nie-
mals denkt. Wenn nun auch richterliche bons mots nicht zu
scharf kritisiert werden dürfen, so ist es doch sehr zu bedauern,
dass in unserem Falle der richterliche Humor eine Neigung zu
Gunsten des Beklagten und eine Abneigung gegen den Kläger
hervortreten liess.
(Gilt es eine populäre Wahl anzufechten, so ist die Durch-
führung der Klage eine höchst schwierige. Der Beklagte erfreut
sich der Sympathie der ganzen Stadt; die Farben seiner Partei
füllen den ganzen Gerichtssaal; Damen schauen beifällig lächelnd
aus der Gallerie auf die Szene herab. Wenn der Richter der-
artige Parteikundgebungen nicht in Schranken hält, sondern noch
durch Bemerkungen der hier fraglichen Art fördert, entsteht für
den Kläger die grösste Schwierigkeit, seine Anfechtungsklage zu
begründen und bei der Zeugenvernehmung die Wahrheit festzu-
stellen. Nach einer Mitteilung seitens einer bei der Verhandlung