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Der
staatliche Rechtsgüterschutz auf hoher See.
Von
Regierungs-Assessor Dr. ALBERT ZORN in Posen.
In meinen „Grundzügen des Völkerrechts“ ' habe ich den
Satz aufgestellt, dass im Gegensatz zu verschiedenen durch Staats-
verträge festgelegten Tatbeständen, die ein Einschreiten von Kriegs-
schiffen gegen Handelsschiffe im Frieden zur Folge haben, der
Seeraub nicht in der Weise strafbar sei, dass jeder Staat das
Recht hätte, jedes Piratenschiff, gleichviel welcher Nationalität
Schiff oder Eigentümer angehört, anzuhalten oder aufzugreifen.
Dieser Ausführung, die ich dort eingehend nicht begründen konnte,
liegt die Erwägung zugrunde, dass infolge des Prinzips von der
Freiheit des offenen Meeres ein Einschreiten gegen Seeräuber —
abgesehen von den Fällen, wo als Täter ein Staatsangehöriger
oder als Ort der Tat ein Teil des Staatsgebietes in Frage kommt
— für den einzelnen Staat nur dann zulässig ist, wenn hierfür
eine besondere rechtliche Grundlage vorhanden ist.
Diese Anschauung, die in der Literatur zur Zeit nur noch
von PHILIPP ZORN ? vertreten wird, ist neuerdings von STIEL?
ı 5. 169. 2 Staatsrecht 2. Aufl. II, 927.
3 PAus Stier, Der Tatbestand der Piraterie nach geltendem Völkerrecht.
Aus: Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen. Herausgg. von G. JELLINEK
und G. AnscHütz. Band IV, Heft4. Leipzig, Duncker und Humblot. 1905.
8 8. 117. Preis: 3,— M.