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Besonders lehrreich ist ja in dieser Beziehung das Schicksal
des Gesetzbegriffes. Für die Justiz fällt das Gesetz zusammen
mit dem anzuwendenden Rechtssatz, den es zu liefern berufen
ist. Folgerichtig, wenn das Gesetz etwas anordnet für einen be-
stimmten Einzelfall, macht sie daraus den widerspruchsvollen
Begriff des Rechtssatzes in concreto; anders passt es nicht in
das Schema. Wenn man aber von der Verwaltung her betrach-
tet, sieht man, dass in Form des Gesetzes auf mancherlei Weise
mitgearbeitet wird in staatlichen Geschäften und dass die dieser
Form eigentümlichen Kräfte dabei in verschiedener Zusammen-
stellung zur Geltung kommen können; die Notwendigkeit feinerer
Unterscheidungen ergibt sich °.
So ist die Justiz auch gewohnt, das Urteil mit gewissen
Wirkungskräften zur Sacherledigung ausgestattet zu sehen, welche
sich innerhalb des Kreises ihrer Ordnungen sonst nirgends finden.
Die Versuchung liegt für ihren Standpunkt nur zu nahe, darin
ohne weiteres jene das Urteil auszeichnende Eigenschaft zu er-
kennen, die man Rechtskraft nennt. Betrachtet man aber die
Sache wieder vom Boden der Verwaltung aus, so ergibt sich so-
fort die Notwendigkeit der Einschränkung des Begriffs der Rechts-
kraft auf einen engeren Kreis und auf eine bestimmtere Art von
Wirkung. Denn ein grosser Teil der dem Urteil nachgerühmten
Wirkungen findet sich auch ausserhalb seines Bereichs, bei an-
deren obrigkeitlichen Akten; diese Wirkungen stehen ihm also
nicht ausschliesslich zu, können also auch nicht die ihm eigen-
artige Wirkung, Rechtskraft, ausmachen. —
Man spricht von einer formellen und von einer mate-
riellen Rechtskraft des Urteils. Für erstere ist wohl auch
der Ausdruck äussere, für letztere der Ausdruck innere
Rechtskraft in Gebrauch ?*,
Die formelle oder äussere Rechtskrasit bedeutet die Unan-
» D.V-R.IST.
26 GAUPP-STEIN, C.P.O. Kom. zu $ 322.