Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Befugnis jedes einzelnen Staates abgeleitet werden könnte, den 
Seeräuber festzunehmen. Gäbe es eine juristische Denationali- 
sierung, so müsste die logische Folge davon sein, dass jedem 
einzelnen Staate nicht nur das Recht zustände, Seeräuber auf- 
zugreifen, sondern auch, sie zu bestrafen ®®. Diese Folgerung 
zu ziehen, hat aber die Praxis ausdrücklich abgelehnt; das wird 
auch von STIEL zugegeben. Es sei hier noch erwähnt, dass ins- 
besondere das deutsche Staatsrecht den Verlust der Staatsange- 
hörigkeit als Folge einer strafbaren Handlung nicht kennt. Nach 
dem Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- 
und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 ° ist eine Einntziehung 
der Staatsangehörigkeit durch den Staat — als Strafe, nicht 
infolge einer Straftat — nur in zwei Fällen gesetzlich zu- 
lässig, einmal bei Verweigerung der Rückkehr in das Reichsgebiet 
im Falle eines Krieges nach ausdrücklicher Aufforderung ($ 20), 
und dann beim Nichtaustritt aus fremdem Staatsdienste auf aus- 
drückliche Aufforderung hin, sofern der Eintritt ohne Erlaubnis 
erfolgt ist ($ 22). Den Fall, dass der Verlust der Staats- 
angehörigkeit infolge eines Deliktes ipso iure eintritt, 
wie das für die von der herrschenden Meinung behauptete rechtliche 
Denationalisierung des Seeräubers in Frage kommen müsste, wenn 
eine Verletzung des $ 250 Ziff. 3 des deutschen Strafgesetzbuches 
vorläge, kennt das deutsche Staatsrecht nicht. 
Es ist nun noch auf die von STIEL besonders behandelte 
Frage einzugehen, ob der Begriff der „faktischen Denationalisie- 
rung“, den STIEL einführt, einer juristischen Verwertung fähig 
ist. Auch das muss abgelehnt werden. STIEL will die rechtliche 
  
  
53 Der Hinweis STIELS a.a2.0. 9°? auf die Bestimmungen für den Dienst 
an Bord von 1903 entbehrt jeder Beweiskraft; hier heisst es vielmehr aus- 
drücklich: „Die Strafgewalt über den Seeräuber verbleibt dem Staate, wel- 
chem das Seeräuberschiff angehört“. Dass trotzdem der Seeräuber unab- 
hängig von der Flagge, die er führt, aufgegriffen werden kann, hat seinen 
Grund in einer anderen Tatsache. 
st BGBl. 355.
	        
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