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Denationalisierung nicht unmittelbar als Folge des Deliktes ein-
treten lassen, sondern als Folge der vorangehenden faktischen
Denationalisierung, d.h. als Folge der durch konkludente Hand-
lungen zum Ausdruck kommenden Absicht des Seeräubers, sich
dem staatlichen Verbande zu entziehen, dem er angehört ®. Hier-
mit ist aber auch nicht weiter zu kommen, denn die Fähigkeit,
beliebig durch eigenen Entschluss mit rechtlicher Wirkung aus
dem Staatsverbande auszuscheiden, erkennt das Staatsrecht der
einzelnen Staaten seinen Untertanen nicht zu.
Das „Ereignis in der Psyche der betrefienden Personen“,
wie STIEL die faktische Denationalisierung an einer andern Stelle 5°
nennt, kann mithin eine Wirkung, die Rechtsfolgen hätte, über-
haupt nicht äussern. Es gilt auch hier das oben Gesagte; eben-
sowenig, wie der gewerbsmässige Räuber durch seine Straftaten
den rechtlichen Zusammenhang zwischen sich und dem Staate
lockert, tut es der Seeräuber. Ein Rechtsgrund für eine ver-
schiedene Behandlung beider Arten von Verbrechern ist nicht
vorhanden. Dazu kommt schliesslich noch, dass der Begriff der
faktischen Denationalisierung, wie ihn STIEL durchzuführen ver-
sucht, schon von STIEL selbst nicht scharf begrenzt werden kann.
Während er an einer Stelle (S. 7), ausführt, dass die faktische
Denationalisierung die Lösung des Piraten von jedem staatlich
anerkannten Verbande sei schränkt er das an einer anderen
Stelle (S. 79) wieder in der Weise ein, dass hierzu nicht eine
vollständige oder prinzipielle Lösung von der Gesellschaftsordnung
notwendig sei; dass vielmehr eine Gesinnung genüge, die „zum
Zwecke, die Stellung in ihr zu behaupten, Mittel verwendet, die
ihren Grundlagen zuwider sind“. In dieser verschwommenen
Begrenzung ist aber der Begriff juristisch überhaupt wertlos.
5 Das soll auch wohl der Satz besagen: „Der Pirat ist ein von der
Friedensgemeinschaft der Kulturnationen gelöstes Glied in demselben Sinne,
wie jeder gewerbsmässige Verbrecher“ (a. a.0. 79).
2.2.0.7.