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Bestimmungen, auf Grund deren ein solches Vorgehen möglich
wäre, Auch die von STIEL® zum Beweise herangezogene Praxis
versagt hier, soweit das deutsche Recht in Frage kommt: die
Vorschrift der deutschen Bestimmungen für den Dienst an Bord ®%,
dass die Strafgewalt über die Seeräuber dem Staate verbleibt,
welchem das Seeräuberschiff angehört, wäre sinnlos und falsch,
wenn die Folge des Seeraubes die Denationalisierung im land-
läufigen Sinne wäre.
Abgesehen davon, dass die Möglichkeit, einem Schiffe aus
beliebigen Gründen den Schutz der Flagge zu entziehen, staats-
rechtlich durchaus nicht überall gegeben ist, bestehen gegen den
Begriff der Denationalisierung von Schiffen auch völkerrechtlich
erhebliche Bedenken. Sie richten sich hauptsächlich gegen den
zweiten Punkt der Beweisführung STIELs, dass nicht nur das
Schiff in solchen Fällen dem Zugriff jedes Staates unterliege,
sondern, dass infolgedessen auch der Heimatsstaat „von seiner
Verantwortlichkeit für den Bestand einer gesicherten Rechts-
ordnung an Bord befreit“ werde °. Den gleichen Gedanken führt
62 Die Behauptung STIELS (a. a. O. 89, 89°), dass Derartiges nach der
deutschen allgemeinen Dienstinstruktion für die Konsulate insofern möglich
sei, als der Konsul einen deutschen Schiffe eröffnen könne, dass es nicht als
deutsches Schiff angesehen werden könne, solange es die Nationalflagge nicht
führe, ist ebenfalls nicht stichhaltig. In dieser Erklärung liegt weder die Ent-
ziehung der Flagge, noch die Entziehung des staatlichen Schutzes, sondern
nur die Eröffnung an das Schiff, dass ihm staatlicher Schutz nicht zuteil
werden könne, solange es nicht die hierfür vorgeschriebenen Bedingungen
erfülle. Das ist aber doch etwas wesentlich anderes als die „Entziehung“
des staatlichen Schutzes!
2.2.0.9.
e 8 23 Ziff. 28. In der von STIEL besonders hierfür angezogenen Be-
stimmung des $ 23 Ziff. 22, wonach jeder Kommandant das Recht hat, ein
Seeräuberschiff, unabhängig von der Flagge, die es führt, aufzu-
bringen, kann ich eine Stütze für seine Ansicht nicht finden. Diese Vor-
schrift ruht auf einem ganz besonderen Rechtsgrunde; ausserdem steht die
oben angezogene Vorschrift der Ziff. 28 der Anschauung STIELs auf das
schroffste entgegen.
4.4.0. 10.