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festzunehmen ist eine dem Grundsatze von der Freiheit des offenen
Meeres entgegengesetzte, auf Gewohnheitsrecht beruhende Aus-
nahme, die aus diesem Grunde nur gilt, soweit sie sich unmittel-
bar nachweisen lässt, aus der aber weitere Konsequenzen nach
keiner Richtung hin gezogen werden dürfen.
Auf dem hier eingenommenen Standpunkte steht z. B. mit
aller Bestimmtheit auch die deutsche Praxis; die deutschen
Bestimmungen für den Dienst an Bord von 1903
schreiben in 8 23 Ziff. 28 ausdrücklich vor, dass die Strafgewalt
über die von deutschen Kriegsschiffen ergriffenen Seeräuber dem
Staate verbleibt, dem das Seeräuberschiff angehört. Dieselbe
Anordnung trifft die — noch gültige — vorläufige Instruk-
tion für die Kommandanten deutscher Kriegsschiffe
in betreff der Unterdrückung der Seeräuberei in den
chinesischen Gewässern vom 20. August 18778; hier ist
unmittelbar ausgesprochen, dass die Strafgewalt über die chine-
sischen Piraten den chinesischen Behörden verbleibt ®°°°. Dem-
entsprechend ist ferner nach deutschem Rechte, wie ich schon
an anderer Stelle”! ausgeführt habe, der von einem Ausländer
auf hoher See verübte Seeraub nur dann strafbar, wenn der
Seeraub auf einem deutschen Schiffe, also auf deutschem
Staatsgebiete, begangen ist. In allen anderen Fällen, auch
wenn das ausländische Seeräuberschiff von einem deutschen Kriegs-
schiff festgenommen ist, fehlt für die deutschen Strafgerichte die
zum Einschreiten erforderliche gesetzliche Grundlage.
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88 Abgedruckt bei PErELS 311 ff.
8? Auch sonst ist gerade in dieser Instruktion die Staatshoheit Chinas
in bezug auf chinesische Piraten in hervorragender Weise anerkannt.
% Inwiefern die Vorschrift der Instruktion, dass in Fällen, in welchen
deutsche und englische Kriegsschiffe auf hoher See gemeinsam Piraten er-
griffen haben, die Aburteilung durch das nächste englische Vice-Admiralitäts-
gericht erfolgen soll, die „wahre völkerrechtliche Rechtslage klar erkennen“
lassen soll, wie STIEL 17 ? behauptet, ist nicht einzusehen.
» S. mein Völkerrecht 169 ?.