— 314 —
Dient eine Stiftung der Sorge für bestimmte Bedürfnisse, so be-
steht in ihrem Gebiet Selbstverwaltung, soweit auf ihre Verwal-
tung die Menschen Einfluss haben, um deren Bedürfnisse es sich
handelt. Gemeindeverwaltung ist nicht deshalb Selbstverwaltung,
weil die Gemeinde ein eigner „politischer Körper“ ist, sondern
bie ist es insoweit, als die Menschen auf sie Einfluss haben, deren
Angelegenheiten durch sie besorgt werden. Selbstverwaltung und
Staatsverwaltung sind nicht Gegensätze, sondern die Staatsver-
waltung ist insoweit Selbstverwaltung, als an ihr die an ihren
Gegenständen vor andren interessierten Menschen beteiligt sind.
Da die Angelegenheiten des Staates als solche Angelegenheiten
seiner Angehörigen sind, und da die Beteiligung, die an einer
Verwaltung den vor andren an ihr interessierten Menschen zusteht,
sowohl bezüglich ihres eignen Umfangs als bezüglich der Menschen,
denen sie zukommt, sehr verschieden abgegrenzt sein kann, so
handelt es sich bei der Bezeichnung der Selbstverwaltung über-
haupt nicht um einen scharfen juristischen Begriff. Aufgekommen
ist sie bei uns als ein politisches Schlagwort *, das gleich andren
in sehr verschiedenem Sinn verwendet wird. Wollen wir in der
Wissenschaft von einer solchen Bezeichnung nicht ganz absehen,
was nicht möglich ist, wenn sie im politischen Leben eine solche
Bedeutung hat wie jene, so müssen wir ihren Sinn genauer zu
bestimmen suchen unter möglichster Festhaltung dessen, worauf
die eigentliche Zugkraft der Bezeichnung als eines politischen
Schlagworts beruht. Wäre durch LABANnDs Bestimmung der Kern
dessen gegeben, was das Schlagwort der Selbstverwaltung be-
zeichnet, so wäre das Streben nach Selbstverwaltung nichts andres,
als ein Streben nach Dezentralisation. Je mehr innerhalb eines
Staates grössere und kleinere Gebiete aller Art eine eigene Ver-
* Dieses Schlagwort ist eine Uebertragung der englischen Bezeichnung
des selfgovernment, die selbst wieder verschiedene Bedeutungen hat, aber
sich keinesfalls mit jener deutschen Bezeichnung deckt.