Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Um das vorweg zu nehmen, so genügt der Vergleich mit 
dem Gesetz in keiner Weise, um die Unabänderlichkeit des rechts- 
kräftigen Urteils zu erklären. Vom Standpunkt des Zivilprozesses 
aus mag das jeweils bestehende Gesetz als das Unabänderliche 
erscheinen und behandelt werden; ist ja doch für den Richter 
Grundsatz, bei seinen Entscheidungen niemals die Möglichkeit 
einer Gesetzesänderung vorauszusetzen und zu berücksichtigen. 
Aber in Wirklichkeit, das wissen wır sehr wohl, ist das Gesetz 
für den, der es erlassen hat, nicht unabänderlich, und gerade 
darauf kommt es ja beim rechtskräftigen Urteil an: dass es die 
Untertanen und die Untergebenen bindet, ist nichts Besonderes, 
aber dass das Gericht selbst und die ihm gleichwertigen anderen 
Gerichte keine Gewalt mehr darüber haben, das ist das Beson- 
dere ?°, und das wird durch diesen Zusammenhalt mit dem Ge- 
setze eher erst recht auffallend, als dass es erklärt würde. 
Vor allem aber: diese ganze normierende Kraft und gar die 
lex specialis — wir kennen sie ja! Das haben wir in unserem 
Verwaltungsakt, jenem Kern des neuen Verwaltungsrechts, Zi- 
vilisten und Prozessualisten vielfach etwas allzu Neues, leider 
auch manchem Publizisten noch nicht so vertraut, als er sein 
sollte! Hat man nicht auch ihn lange Zeit unter dem Ehren- 
titel lex specialis gehen lassen, weil man sich — gut zivilprozes- 
sualistisch — die Sache nicht anders erklären konnte? Einteig- 
nung, Eisenbahnkonzession, Anstellung im Staatsdienst wurden 
mit Vorliebe so bezeichnet. Schaffen sie nicht Recht? Haben 
sie nicht staatlich rechtsbestimmende Kraft? Polizeibefehle, Poli- 
zeierlaubnisse, Steuerveranlagungen, Steuererlasse — sind sie 
nicht autoritativ normierende Gesetzesanwendung? Sie bestim- 
men nach unserer Ausdrucksweise sämtlich für den Einzelfall, 
  
#6 Dass der Richter an die Entscheidung gebunden ist, das ist die Rechts- 
kraft (GAupP-StEIN, Komment. z. C.P.O. S. 713); dass die Partei daran 
oder vielmehr dadurch gebunden wird, ist die Kraft des obrigkeitlichen 
Aktes überhaupt.
	        
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