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zugleich den individuellen Interessen der Parteien dient. In der
Regel stehen Staatsorgane im Dienste individueller Interessen
nur, soweit deren Subjekte dies verlangen. Davon bestehen aber
Ausnahmen. Das Amt des Vormunds oder Pflegers steht im
Dienste der individuellen Interessen des Mündels oder Pfleglings,
deren Wahrnehmung jenem deshalb zukommt, weil dieser nicht
in der Lage ist, sie selbst wahrnehmen zu können. Ist aber die
Vermundschaft und Pflegschaft wirklich ein Amt? Unterscheidet
sie nicht sich von einem solchen dadurch, dass sie eine privat-
rechtliche Macht und Pflicht ist, und dass die sogenannte Amts-
pflicht des Vormunds nicht, wie jede wirkliche Amtspflicht, dem
(semeinwesen, sondern lediglich dem Mündel und Pflegling gegen-
über besteht? Wenn wir aber sagen, der Vormund nehme die
privaten Rechte des Mündels als dessen Vertreter wahr, so ist
doch keinesfalls die ihm zukommende Macht ihrer Wahrnehmung
eine privatrechtliche; sie teilt mit jeder amtlichen Macht das
Merkmal, dass sie ihm nicht zusteht um seiner selbst willen und
untrennbar verbunden ist mit der Verpflichtung, zu dem Zweck,
um dessen willen sie besteht, davon Gebrauch zu machen. Die-
ser Zweck ist die Wahrnehmung der Interessen des Mündels.
Warum aber kommt sie ihm zu? Weil der Mündel ein Mensch
ist, dem nicht wie andren das Gemeinwesen die Wahrnehmung
seiner Interessen überlassen kann. Nicht deshalb bleibt in der
Regel jedem die Wahrnehmung seiner Interessen überlassen, weil
sein Wohl dem Gemeinwesen gleichgültig wäre, sondern weil
jeder am besten selbst für seine individuellen Bedürfnisse sorgt,
die nebst den Mitteln zu ihrer Befriedigung kein andrer so ken-
nen kann wie er selbst. Kann dagegen ein Mensch, weil seine
Individualität noch nicht genügend oder nicht normal entwickelt
ist, für seine individuellen Bedürfnisse nicht selbst sorgen, so ist
es ein Interesse des Gemeinwesens, dass dafür andre Menschen
sorgen. Die Wahrnehmung dieses öffentlichen Interesses kommt
dem Vormunde zu, der durch Pflichtverletzung mit dem ihm an-