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würde, ebenso wie auch die strafrechtliche Verfolgung nur aus-
geschlossen ist, soweit die Aeusserung unmittelbar eine strafbare
Handlung enthält, und die Fälle, in welchen dadurch eine straf-
bare Anstiftung zur Straftat eines anderen liegt, nicht betroffen
werden.
Der Art. 30 würde noch aus einem anderen Grunde auf
Rechtsverletzungen privatrechtlichen Charakters nicht passen.
Er untersagt eine strafrechtliche und disziplinarische Verfolgung.
Eine solche Verfolgung kann auch auf Wunsch und mit Zu-
stimmung des Abgeordneten nicht eintreten. Dieses ist unbe-
denklich, da niemand ein berechtigtes Interesse daran haben
kann, kriminell oder disziplinarisch bestraft zu werden. Anders
liegt die Sache, wenn es sich um eine Kränkung von Rechten
anderer Personen handelt. Hier kann dem Abgeordneten daran
gelegen sein, die Frage, ob und inwieweit er in seiner berufs-
mässigen Tätigkeit einen anderen in seinen Rechten gekränkt
hat, zur gerichtlichen Entscheidung zu bringen. Wollte man den
Artikel auf privatrechtliche Ansprüche beziehen, so würde der
Abgeordnete zwar die aus seinen Aeusserungen hergeleiteten An-
sprüche auf Entschädigung befriedigen können, es würde ihm
aber nicht gestattet sein, solchen Ansprüchen gegenüber auf
seine Immunität als Abgeordneter zu verzichten und es auf eine
gerichtliche Entscheidung ankommen zu lassen, ob und inwie-
weit die Ansprüche begründet sind. Selbst ein Vertrag, durch
welchen er sich verpflichtete, den durch seine berufsmässigen
Aeusserungen etwa entstehenden Schaden zu ersetzen, würde
gerichtlich nicht geltend gemacht werden können, da die Gerichte
darüber nicht entscheiden dürften, ob durch solche Aeusserungen
ein rechtswidriger Schaden verursacht sei‘.
® Der Ansicht, dass sich der Art. 30 nur auf ein strafrechtliches Ver-
fahren bezieht, ist nach der Erklärung von BÖTTICHERs im Reichstag vom
10. März 1886 damals die preussische Staatsregierung gewesen. (Stenogr.
Ber. S, 1403. Ebenso OPPENHOFF, Strafgesetzbuch Anm. 6 zu $ 11.) A.M.