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machen. Wer zum Schöffen oder Geschworenen gewählt wird,
kann sich weigern, dem Rufe Folge zu leisten und dadurch eine
Strafe verwirken, die Berufung gibt ihm auch die Gelegenheit
und die Möglichkeit, sich nach 88 138 und 334 StGB. strafbar
zu machen. Dennoch wird niemand sagen, dass jemand, welcher
zum Schöffen oder Geschworenen gewählt wird, dadurch zur
Verantwortung gezogen werde.
Auch liegt ein sachlicher Grund nicht vor, welcher es recht-
fertigen könnte, eine gerichtliche Vernehmung der Mitglieder des
Reichstags wegen ihrer Aeusserungen im Reichstage allgemein
zu untersagen. Es wird angeführt, es gehöre zu den Aufgaben
der Mitglieder des Reichstags wie der anderen gesetzgebenden
Körperschaften, Fehler und Missstände in der Verwaltung zur
Sprache zu bringen und auf ihre Abstellung hinzuwirken. Diese
Aufgabe lasse sich nur dann gehörig erfüllen, wenn diejenigen
Personen, die im stande und willens seien, ihnen hierauf bezüg-
liche Mitteilungen zu machen, die Sicherheit hätten, dass ihre
Namen geheim gehalten und nicht durch eine gerichtliche Zeugen-
vernehmung offenbar würden. Dieser Grund könnte höchstens
rechtfertigen, dass es den Mitgliedern des Reichstags gestattet
würde, die Namen ihrer Gewährsmänner bei einer gerichtlichen
Zeugenvernehmung zu verschweigen, aber nicht, dass allgemein
die Vernehmung derselben wegen der in ihrem Beruf getanen
Aeusserungen untersagt würde. Warum soll z. B. ein Mitglied
des Reichstags, welches einen Automobilunfall gesehen hat und
diese Tatsache bei einer Verhandlung über ein Automobilgesetz
zur Sprache bringt, über diesen Unfall nicht vernommen werden
dürfen? Der Abgeordnete kann darüber vernommen werden,
wenn die Zeugenvernehmung vor der Verhandlung im Reichs-
tage erfolgt, nach derselben soll die Vernehmung nicht statt-
finden dürfen. Er würde sogar dann nicht einmal über Unklar-
heiten und Ungenauigkeiten seiner ersten Aussage zu einer Er-
klärung aufgefordert werden dürfen. Nach $ 385 CPO. dürfen
Archiv für öffentliches Recht. XXI. 3. 25