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den Abgeordneten zu gestatten, eine Aussage darüber, von wel-
chen Personen ihnen eine Mitteilung zur Verwertung in ihrem
Berufe gemacht worden ist und über Tatsachen, welche zur Ent-
deckung solcher Personen führen können, zu verweigern. Dieses
Recht würde auch auf den Fall auszudehnen sein, wo eine solche
Mitteilung erfolgt ist, der Abgeordnete aber dieselbe nicht oder
noch nicht verwertet hat. Eine derartige Aenderung der Gesetz-
gebung könnte als Zusatz zu dem Art. 30 RV. erfolgen, und
man könnte ihr, indem man sie als authentische Deklaration
bezeichnete, rückwirkende Kraft beilegen. Dann würde aber
das Privilegium den Mitgliedern der gesetzgebenden Versamm-
lungen der Einzelstaaten nicht zu statten kommen. Im Inter-
esse der Gleichmässigkeit des Rechts würde es sich empfehlen,
eine bezügliche Bestimmung zur Strafprozessordnung und Zivil-
prozessordnung hinzuzufügen ®.
8 Gegen eine Ausdehnung der Immunität der Reichstagsmitglieder auf
die Zeugnisablegung spricht sich LABAND in der deutschen Juristenzeitung
von 1906 S. 954 und 955 aus. — Ebenso Husrica a. a. O. S. 396. — Der
freikonservative Abgeordnete von RHEINBABEN erkannte in der Reichstags-
sitzung vom 10. März 1886 an, dass unter Umständen die Zeugenpflicht
der Abgeordneten ihre verfassungsmässig garantierte parlamentarische
Redefreiheit beeinträchtigen könne, er meinte aber, dass die blosse ab-
strakte Möglichkeit, dass die Zeugnispflicht des Abgeordneten unter Um-
ständen missbräuchlich angewendet werden könne, jedenfalls an sich nicht
ausreiche, um die Reichsverfassung durch Aufnahme einer neuen Garantie
zu ergänzen. — MITTELSTÄDT (a. a. OÖ. S. 566): „Es ist zur Genüge be-
kannt, mit welcher Vorliebe die deutsche Sucht des Querulierens gerade
die Volksvertreter dazu missbraucht, allen möglichen Klitsch und Klatsch,
Zank und Stank bei ihnen abzulagern.. Zu Gunsten dieser Sippe von
Querulanten und Schwätzern ein persönliches Privileg der Immunität und
Unverantwortlichkeit einzuführen, hat zweifellos nicht im Sinn des Art. 30
gelegen .. .. Sollten einmal ernsthafte Kollisionen zwischen Zeugnispflicht
und parlamentarischer Unverantwortlichkeit eintreten, und sollte sich ein-
mal die Ueberzeugung Bahn brechen, mit Hilfe einer missbräuchlichen
Handhabung der Zeugnispflicht werde auf einem Umwege die parlamenta-
rische Redefreiheit verkürzt, dann, zweifle ich nicht, wird die nächste
Periode eines sich in aufsteigender Linie fortbewegenden Parlamentaris-