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Pflicht gehorche, oder er kann sagen, dass der Monarch tat-
sächlich gezwungen sei, sein Ernennungsrecht in diesem
Sinne auszuüben.
Unter einer politischen Pflicht kann man aber, wenn man
damit überhaupt eine präzise Vorstellung verbindet, nur eine
solche verstehen, die — nicht durch einen konkreten Rechtssatz,
sondern — unmittelbar durch ein Staatsinteresse diktiert wird.
Nun ist aber der Monarch schon durch seine Stellung als Staats-
organ verpflichtet, sämtliche Staatsinteressen wahrzunehmen, sie,
soweit sie divergieren, gegeneinander abzuwägen und im Sinne
des jeweils wichtigsten und dringendsten Interesses zu handeln.
Greift man daher von allen Staatsinteressen nur das eine aller-
dings unzweifelhaft vorhandene Interesse an der Vermeidung
eines Verfassungsstreites heraus, um dessen Wahrnehmung zum
Gegenstand einer besonderen über jene Organpflicht hinausgehen-
den politischen Pflicht zu machen, dann präjudiziert man dieser
abwägenden Tätigkeit des Monarchen oder man muss — gewisser-
massen zur Kompensation — auch hinsichtlich einer Unzahl
anderer Staatsinteressen, die mit dem erstgenannten in Konflikt
kommen können, z. B. des Interesses an der Erhaltung des
Friedens, an der Stärkung der Wehrkraft, an dem Gleichgewichte
im Staatshaushalte u. s. w. besondere politische Pflichten sta-
tuleren. Damit richtet sich wohl der Gedanke von selbst.
Als einen Vertreter der Idee, dass der parlamentarisch
regierende Monarch unter einem tatsächlichen Zwange handelt,
glaube ich PILOTY bezeichnen zu können, obgleich er sich nicht
gerade expressis verbis zu dieser Ansicht bekennt. In seiner
fesselnden Schrift: „Autorität und Staatsgewalt“ lässt er eine
Reihe zeitlich und räumlich weit auseinanderliegender Erschei-
nungen des Staatslebens an uns vorüberziehen, deren gemein-
sames Merkmal in der Loslösung der Autorität von der Staats-
gewalt, der tatsächlichen von der rechtlichen Macht im Staate
bestehen soll. Er erwähnt u. a. das Verhältnis zwischen dem