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regel, die von UNGER in seinem System des österreichischen
Privatrechtes II. S. 92 folgendermassen formuliert wird: „Wer
zu einem Zwecke berechtigt ist, der ist auch zur Anwendung der
(an sich erlaubten) Mittel berechtigt, ohne die der Zweck nicht
erreicht werden kann.“ Was hier von den Rechten gesagt wird,
gilt mit logischer Notwendigkeit auch von den Pflichten. Wir
werden auch sagen können: Wer zu einem Zwecke, wer zur Er-
füllung einer Aufgabe rechtlich verpflichtet ist, der ist auch
rechtlich verpflichtet, die (an sich erlaubten) Mittel anzuwenden,
ohne die der Zweck nicht erreicht, die Aufgabe nicht erfüllt
werden kann !?. Allerdings, gibt es mehrere oder viele Mittel,
um den Zweck zu erreichen, dann hat der Verpflichtete die
Wahl zwischen ihnen und es kann den Anschein gewinnen, als
ob es sich bei der Anwendung des von ihm gewählten Mittels
um eine blosse res merae facultatis handeln würde. Gibt es
aber nur ein einziges Mittel, dann ist es evident, dass er bei
dessen Anwendung genau so unter dem Diktate einer Rechts-
pflicht handelt, wie bei der schliesslichen Erfüllung des Zweckes.
Die Nutzanwendung liegt auf der Hand. In parlamentarisch
regierten Staaten ist der Monarch durch das Verfassungsrecht
unmittelbar zu nichts anderem verpflichtet, als mit Beobachtung
der Gesetze zu regieren. Eine Beschränkung in der Wahl seiner
Ratgeber ist ihm nicht auferlegt. Aber die tatsächlichen Macht-
verhältnisse liegen so, dass er diese Rechtspflicht nur zu er-
füllen vermag, wenn er seine Ratgeber der Mehrheit des Unter-
hauses entnimmt. Beriefe er andere Personen zur Regierung,
so würde die Kammermehrheit, ohne selbst die Bahn des Rechtes
verlassen zu müssen, ihn und das Kabinett durch die Budget-
verweigerung und hundert andere Mittel aus dieser Bahn alsbald
herausdrängen und ins Unrecht versetzen. Er ist also rechtlich
ı2 Einen dritten Anwendungsfall desselben Gedankens bietet das Straf-
recht. Die Normwidrigkeit des Versuches beruht darauf, dass, wenn ein
Zweck verboten ist, auch die Anwendung der Mittel verboten sein muss.