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verpflichtet, parlamentarisch zu regieren, weil dies angesichts
der herrschenden Machtverhältnisse das einzige Mittel ist, um
verfassungsmässig zu regieren.
Die Richtigkeit dieser Auffassung lässt sich erproben, wenn
wir an einen Vergleich anknüpfen, den REHM, gleichfalls ein
Anhänger der Theorie des tatsächlichen Zwanges, in seiner All-
gemeinen Staatslehre 8. 309 zieht. Er meint nämlich, dass der
Monarch in einem Staate wie Belgien dem mit der Steuerver-
weigerung drohenden Parlamente ebenso gegenüber steht, wie
ein Arbeiter dem Unternehmer beim Abschluss des Lohnver-
trages: rechtlich frei, aber tatsächlich gezwungen, auf die Be-
dingungen der Gegenseite einzugehen. Allein rechtlich frei ist
doch nur jener Arbeiter, der nur für sich selbst zu sorgen hat.
Obliegt ihm eine Unterhaltspflicht gegen Dritte, dann ist er
rechtlich verpflichtet, einen Lohnvertrag abzuschliessen, mag er
auch vom Standpunkt seiner eigenen Lebensführung hiezu noch
keineswegs gezwungen sein. Nur mit der Lage eines solchen
Arbeiters lässt sich aber die des parlamentarisch regierenden
Monarchen vergleichen. Auch dieser hat eine Rechtspflicht zu
erfüllen, der er nur durch das Eingehen auf die Bedingungen
des ihm gegenüberstehenden Machtfaktors gerecht werden kann "°?.
Ein tatsächlicher Zwang hingegen, dem ja nie ein Staatsorgan
als solches, sondern immer nur das ihm subsistierende mensch-
liche Individuum unterworfen sein kann, erscheint durch die
Verzichtbarkeit des Monarchenrechtes ausgeschlossen.
Aus dieser Auffassung folgt, dass die von uns als Beispiel
genommene Konventionalregel ungeschriebenes Verfassungsrecht
18 Damit soll natürlich nicht behauptet werden, dass ein solcher Monarch
dem Parlamente untergeordnet ist. Er ist es nicht, weil ihm das
Parlament nichts zu befehlen hat, denn er ist nur indirekt gegenüber dem
Staate und nicht direkt gegenüber dem Parlamente verpflichtet, auf die
Bedingungen des letzteren einzugehen. Auch der unterhaltspflichtige Ar-
beiter steht ja dem Unternehmer zwar nicht rechtlich frei, aber als formell
gleichberechtigte Vertragspartei gegenüber.