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sicht 2°, dass die Ausübung des parlamentarischen Wahlrechtes
eine „fonction publique“ ist, wirklich Ernst machen will, der
kann sich unmöglich damit begnügen, dass der Wähler einen
mit einem beliebigen Namen ausgefüllten Stimmzettel abgibt, er
muss auch verlangen, dass der Wähler die tatsächlichen Macht-
und Parteiverhältnisse ins Auge fasst und seine Stimme einer
Person zuwendet, deren Wahl rebus sic stantibus wenigstens
nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Durch einen offen-
kundigen actus inanis, durch eine blosse Demonstration zu Gun-
sten einer gar nicht in Bewerbung stehenden Person kann die
behauptete Organpflicht des Wählers vernünftigerweise nicht als
erfüllt gelten. Wie daher der Wähler bei einer Stichwahl un-
mittelbar durch das Gesetz verpflichtet ist, sich zwischen zwei
Kandidaten zu entscheiden, so erscheint er bei der ersten Wahl
mittelbar verpflichtet, seine Wahl auf den Kreis der überhaupt
vorhandenen Kandidaten zu beschränken. Durch diese mittel-
bare Rechtspflicht wird das politische Parteiwesen erst in den
Bereich des rechtlich relevanten erhoben und ein Zusammenhang
zwischen Politik und Recht in ähnlicher Art hergestellt wie
früher bei der Betrachtung der parlamentarischen Regierungs-
weise.
Zu dieser kaum jemals fehlenden Einschränkung des Wahl-
rechtes können im einzelnen Falle noch andere hinzukommen.
Ein weltbekanntes Beispiel hievon bietet der Vorgang bei der
Wahl des nordamerikanischen Unionspräsidenten. Während nach
dem Wortlaut und der Absicht der Verfassung die Wahlmänner
sich bei der Präsidentenwahl nur durch ihre eigene Einsicht
leiten lassen sollten, hat sich schon seit der vierten Präsidenten-
wahl die Regel herausgebildet, dass die Wahlmänner bereits im
Hinblick auf einen bestimmten Kandidaten gewählt werden, dem
sie unter Ausschluss jedes eigenen Ermessens unweigerlich ihre
» Der ich zwar für meine Person nicht beipflichte, was mich aber
nicht hindert, eine logische Konsequenz aus ihr zu ziehen.