Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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sicht 2°, dass die Ausübung des parlamentarischen Wahlrechtes 
eine „fonction publique“ ist, wirklich Ernst machen will, der 
kann sich unmöglich damit begnügen, dass der Wähler einen 
mit einem beliebigen Namen ausgefüllten Stimmzettel abgibt, er 
muss auch verlangen, dass der Wähler die tatsächlichen Macht- 
und Parteiverhältnisse ins Auge fasst und seine Stimme einer 
Person zuwendet, deren Wahl rebus sic stantibus wenigstens 
nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Durch einen offen- 
kundigen actus inanis, durch eine blosse Demonstration zu Gun- 
sten einer gar nicht in Bewerbung stehenden Person kann die 
behauptete Organpflicht des Wählers vernünftigerweise nicht als 
erfüllt gelten. Wie daher der Wähler bei einer Stichwahl un- 
mittelbar durch das Gesetz verpflichtet ist, sich zwischen zwei 
Kandidaten zu entscheiden, so erscheint er bei der ersten Wahl 
mittelbar verpflichtet, seine Wahl auf den Kreis der überhaupt 
vorhandenen Kandidaten zu beschränken. Durch diese mittel- 
bare Rechtspflicht wird das politische Parteiwesen erst in den 
Bereich des rechtlich relevanten erhoben und ein Zusammenhang 
zwischen Politik und Recht in ähnlicher Art hergestellt wie 
früher bei der Betrachtung der parlamentarischen Regierungs- 
weise. 
Zu dieser kaum jemals fehlenden Einschränkung des Wahl- 
rechtes können im einzelnen Falle noch andere hinzukommen. 
Ein weltbekanntes Beispiel hievon bietet der Vorgang bei der 
Wahl des nordamerikanischen Unionspräsidenten. Während nach 
dem Wortlaut und der Absicht der Verfassung die Wahlmänner 
sich bei der Präsidentenwahl nur durch ihre eigene Einsicht 
leiten lassen sollten, hat sich schon seit der vierten Präsidenten- 
wahl die Regel herausgebildet, dass die Wahlmänner bereits im 
Hinblick auf einen bestimmten Kandidaten gewählt werden, dem 
sie unter Ausschluss jedes eigenen Ermessens unweigerlich ihre 
» Der ich zwar für meine Person nicht beipflichte, was mich aber 
nicht hindert, eine logische Konsequenz aus ihr zu ziehen. 
 
	        
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