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(sebiet der Politik verweisen zu können. Ihr erscheint die Stel-
lung eines Parlamentsmitgliedes nicht wesentlich verschieden von
der eines Staatsrates, der ja sein Votum sicherlich nur auf
Grund eigener individueller Ueberzeugung abzugeben hat. Dem
Ideal staatsrechtlicher Korrektheit würden hienach nur jene
sporadisch vorkommenden Volksvertreter entsprechen, die sich
aus was immer für einem Grunde keinem Parteiverbande an-
schliessen. Das Muster eines Parlamentes wäre aber dasjenige,
von dem man möglichst oft sagen könnte: Quot capita, tot
sensus! Tatsächlich liegt es aber in der Natur so vielköpfiger
Versammlungen, dass der einzelne darin nur als Angehöriger
einer Gruppe zur Geltung kommen kann. Dies findet sogar im
geschriebenen Rechte seinen Ausdruck, indem nach den parla-
mentarischen Geschäftsordnungen nur solche Anträge und Inter-
pellationen berücksichtigt werden, die von einer gewissen Mindest-
zahl von Mitgliedern ausgehen. Der Anschluss an eine solche
Gruppe d. i. regelmässig der Eintritt in den Verband und die
Unterwerfung unter die Beschlüsse der Partei, auf deren Pro-
gramm hin er gewählt wurde, ist daher eine mittelbare Pflicht
jedes Abgeordneten, da er in aller Regel nur auf diese Art die
ihn anvertrauten Interessen erfolgreich vertreten kann. Dass
diese Verpflichtung keine strikte ist, sondern infolge ihrer mittel-
baren Natur dem Ermessen des einzelnen einen mehr oder
minder weiten Spielraum lässt, braucht kaum noch betont zu
werden. Andererseits kann aber aus den früher angeführten
und mutatis mutandis auch hier zutreffenden Gründen von einer
politischen Pflicht oder einem tatsächlichen Zwange keine Rede
sein. Auch BryczE (Chapt. XXXIV) stellt die Gewohnheit der
Parteien, Beschlüsse mit bindender Wirkung für ihre Mitglieder
zu fassen, in eine Linie mit einer Reihe von Konventionalregeln,
die unzweifelhaft den Charakter von Rechtssätzen haben.
Mittelbare Rechtspflichten entspringen ferner aus manchen
Kompromissen, die zwischen den Parteien auf längere Zeit z. B.