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letztere wäre nicht etwas ausserhalb der Einheit des Verbandes
Stehendes, ein Objekt, auf das die Einheit einwirkte, sondern
es wäre etwas in der Einheit selbst Liegendes. Eine Verletzung
des Gebietes bedeutete sonach nicht Verletzung eines Objektes
des Staates, sondern des Staates selbst als Persönlichkeit. Die
Auffassung, dass das Gebiet ein Moment im Wesen des Staates
bilde, wird namentlich von FRICKER, Gebiet und Gebietshoheit,
vertreten. Es ist nicht zu verkennen, dass hierfür manches zu
sprechen scheint. Zunächst die Erscheinung, dass der Staat
heute ausnahmslos ein festbegrenztes Gebiet aufweist. Ohne
Gebiet ist heute der Staat gar nicht möglich. Zwischen den
Menschen und dem Gebiete sind auch rechtliche Beziehungen,
die eine Verbindung zu bewirken vermöchten, nachweisbar. Das
Recht begründet die Eigentumsbeziehungen der Bürger zum
Gebiete, den Wirkungskreis der Behörden etc. Ist aber das
Gebiet im Staatsganzen enthalten, so kann es völkerrechtlich
nicht als besonderer Begriff in Frage kommen, keine besondere
völkerrechtliche Bedeutung haben. Der Staat kann dann nicht
Gebiet erwerben und verlieren, sondern nur sich vergrössern
und verkleinern. Nur ein Völkerpersonenrecht, nicht ein Völker-
sachenrecht ist möglich, das Gebiet kann nicht völkerrechtliches
Eigentum des Staates sein. Staatsrechtlich kann das Gebiet
überhaupt nicht als Objekt des Staatsganzen betrachtet werden,
weil letzteres als äussere Einheit keine Rechte nach seiner im
Innern waltenden Rechtsordnung haben kann. Wenn FRICKER
die Inkonsequenz hervorhebt, dass mehrere Schriftsteller das
Gebiet einerseits als Moment des Staates selbst bezeichnen aber
anderseits wieder als Objekt hinstellen, so ist er gewiss im Rechte;
denn das Ganze kann nicht Subjekt gegenüber einem Teile sein.
FRICKER bemerkt (a. a. O.S. 65): „Es ist höchst eigentümlich,
dass nach den zur Zeit bestehenden Ansichten das Gebiet als
Raum (bezw. Bestandteil) des Staats aufgefasst, aber daneben
auch seine Auffassung als Rechtsobjekt festgehalten wird. Wie