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mochte sich das Verhältnis nur durch Vermittelung civilrecht-
licher Formen vorzustellen. Das Urteil hat Quasikontraktseigen-
schaft *?, oder es ist das Ergebnis einer novatio, einer prozessu-
alen Vertragsobligation, die mit der litis contestatio ihren zeit-
lichen Anfang nimmt 5°. Seit wir mit der Idee des subjektiven
öffentlichen Rechts vertraut geworden sind, ist die Sache viel
einfacher und unmittelbarer zu erfassen. Hineingestellt in die
ganze Reihe der prozessualen Rechte der Parteien, ist das Urteil
nur ein und der wichtigste Gegenstand darin. Es hätte ja gar
keinen Sinn, dass wir einen Rechtsschutzanspruch, ein Klagerecht
anerkennen und ein Recht auf Urteil und dann ein Recht auf
Ausfertigung des Urteils und ein Recht auf die daraus vorzu-
nehmende Vollstreckung, an dem Urteil selbst aber, welches das
Ziel und der Ausgangspunkt aller ihrer sonstigen Rechte ist,
sollte die Partei kein Recht haben? °! Die relative Rechtskraft
ist ein wesentliches Stück im System unseres Prozesses.
Insofern die relative Rechtskraft eine Gebundenheit des Ur-
teils vorstellt durch das Recht der Partei, steht sie der Partei
zur Verfügung; diese kann darauf verzichten, sodass Abände-
rung und Aufhebung des Urteils zulässig wird. Die alte Lehre
von der Unverzichtbarkeit öffentlicher Rechte ist ja ein über-
wundener Standpunkt. —
So stehen wir denn zweierlei Arten von Rechtskraft
gegenüber. Wie verhalten sie sich zu einander? Es ist eine sehr
——_—_
#° ENDEMANN, Prinzip der Rechtskraft S. 127.
°° KLEINSCHROD, Die prozessualische Konsumtion S. 13,
°1 Der Anerkennung eines solchen Rechtes kann man sich nur entziehen
durch Leugnung der subjektiven öffentlichen Rechte überhaupt und der
Parteirechte insbesondere. Wie bedenklich das ist, vgl. oben Note 6.
Zur Not mag man um obige Konsequenzen, wenigstens für das Ver-
waltungsurteil, auch so herumzukommen suchen, dass man, wie LOENING in
Verw.-Arch. V S. 71, aufstellt: die Parteien im Verwaltungsstreitverfahren
seien gar keine richtigen Parteien, wenigstens keine solche im Sinne des
Zivilprozesses. Da verliert man dann allerdings wieder allen Boden unter
den Füssen.
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