Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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beliebte Auffassung, sie als feindliche Gegensätze zu behandeln, 
die einander ausschliessen. Eine Zeit lang schien es, als sollte 
die relative Rechtskraft die Oberhand bekommen. Das war zur 
Zeit, da der erste Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches eine 
Bestimmung enthielt, wonach das rechtskräftige Urteil nicht von 
Amtswegen zu berücksichtigen ist, vielmehr die Partei darauf 
verzichten kann °. Die Möglichkeit solchen Verzichtes ist immer 
ein entscheidendes Kennzeichen für die relative Rechtskraft. BÜ- 
LOw ist damals in Archiv f. civil. Pr. Bd. 83 kräftig für die ab- 
solute Rechtskraft eingetreten. Die Reichsgesetzgebung hat, wohl 
unter dem Eindruck dieser Ausführungen, die Frage dahingestellt 
sein lassen. In der Doktrin aber ist im Anschluss daran ein so 
entschiedener Umschwung zu Gunsten der absoluten Rechtskraft 
eingetreten, dass, wer vorher etwas für das Recht am Urteil ge- 
schrieben hat, jetzt schon gewärtigen muss, von übereifrigen 
Juristentagsreferenten, die nicht ganz auf dem Laufenden sind, 
für einen wunderlichen Menschen angesehen zu werden. 
In Wahrheit aber besteht ein solches Entweder-Oder keines- 
wegs. Beide, absolute Rechtskraft und relative Rechtskraft, die- 
nen achtenswerten Interessen und haben ihr gutes Recht, jedes 
neben dem anderen. Das wäre also eine dritte Möglichkeit °°. 
#2 Entw. I d. B.G.B. $ 191 Abs. 2. 
53 So erklärt sich die Erscheinung, dass man bei der Begründung des 
Instituts der Rechtskraft die Gründe, welche absolute, und die, welche rela- 
tive Rechtskraft verlangen, ganz unbedenklich zu vereinigen pflegt. Beide 
kommen eben in Betracht und sind wirksam geworden. Vgl. z. B. ZORN 
in Verw.-Arch. II S. 122. Hier wird hervorgehoben, dass die Rechtskraft 
im Ziv.-Proz. auf zwei Gründen beruht. Der eine ist: „Herstellung eines 
endgültigen Rechtsbodens für die Parteien“ oder, wie es nachher erläutert 
wird: „Die durch die Rechtskraft hergestellte Rechtssicherheit ist formell 
und materiell ein Rechtserfolg der Parteien und für die Parteien“ — also 
relative Rechtskraft. Aber: „daneben kommt auch noch das Moment der 
Rechtsökonomie in Betracht. Dieselbe Sache wiederholt verhandeln und 
entscheiden zu müssen wird für die Gerichte ein unerträglicher Zustand® — 
also absolute Rechtskraft. Mehr oder weniger tritt dieser doppelte Gesichts-
	        
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