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Hier war der Herausgeber pietätvoll und massvoll. Er hat nichts
versäumt, was notwendig war, um das Werk auf dem Laufenden zu er-
halten. Aber er hat sich gehütet, des Guten zu viel zu tun. Das Buch ist
dicker geworden, natürlich; aber 2. Aufl. 725 S., 4. Aufl. 772 S., 5. Aufl.
813 S., 6. Aufl. 893 8. — das ist ein ganz normaler Fortschritt. Der Her-
ausgeber beschränkt sich nicht ängstlich darauf, nur nachzutragen, was
die Zeit gebracht hat. Er ergänzt und berichtigt dazwischen auch theo-
retische Ausführungen des Verfassers. Das ist ja gut und nützlich, wenn
es nicht aufdringlich wird. Darin liegt die Gefahr, und diese hat der
Herausgeber vermieden. Sage niemand, dass das so etwas Einfaches und
Selbstverständliches sei!
Mehr um zu zeigen, dass ich ihm ordentlich nachgegangen bin, als
aus dem Bedürfnisse Kritik zu üben, möchte ich nur das eine und andere
hervorheben.
Ss. 210 Note 6 bemerkt der Herausgeber gegen den Text des Ver-
fassers: „die Geschäftsordnungen (der parlamentarischen Versammlungen)
sind richtigerweise nicht als autonomische Satzungen, sondern als Ver-
ordnungen zu bezeichnen“. Er hat gewiss recht, dass die Volksver-
tretungen keine Korporationen sind. Aber Verordnungen? Sieht man im
Werke selbst nach, so findet sich S. 570 die Begriffsbestimmung: „allge-
meine Anordnungen, welche von dem Monarchen oder den Verwaltungs-
behörden erlassen werden“. Das stimmt wieder nicht, denn die Volksver-
tretungen sind auch keine Verwaltungsbehörden. Der Herausgeber zitiert
JELLINEK, subj. öff. Rechte S. 161. Dort sind diese Geschäftsordnungen
genauer als Verwaltungsverordnungen bezeichnet; das sagt wenigstens so
viel, dass sie keine Rechtssätze enthalten, und das wäre hier, in der Lehre
von den „Quellen des Staatsrechts“ eigentlich die Hauptsache.
S. 252 ff. finden sich längere Zusätze über die Rechte der Agnaten
gegenüber der verfassungsmässigen Thronfolgegesetzgebung. Hier geht
der Herausgeber kräftig vor gegenüber allerlei Ketzereien, die im Verlaufe
der jüngsten Thronfolgestreitigkeiten zu Tage getreten sind. Es ist gewiss,
dass die Dinge in weiten Kreisen des deutschen Volkes die Ueberzeugungs
gründen und festigen mussten von der unbedingten Notwendigkeit einer
rein staatsrechtlichen Ordnung solcher Fragen. Ich weiss mich mit dem
Herausgeber vollkommen einig, wenn ich diese Ueberzeugung teile. Ich
kann es wohl verstehen, wenn er die Gelegenheit benutzte ein unverblümtes
Wort darüber zu sagen. Aber was er da sagt, sticht doch etwas stark ab
von der Art, in welcher GEORG MeEyeEr solche Dinge vorträgt. Und
dann nimmt es für eine vorübergehende Angelegenheit — denn mehr ist
es wahrlich nicht — unverhältnismässig viel Raum ein. Der Herausgeber
darf es mir nicht als kleinliche Bedenklichkeit anrechnen, aber ich finde,
es stört etwas die Harmonie des Ganzen, die er sonst so schön gewahrt
hat. Ich würde vorschlagen, diese Ausführungen in der, hoffentlich
Archiv für öffentliches Recht. XXI. 3. 30