— 493 ° —
die Vertragsfreiheit der Einzelstaaten nur insoweit, dass ihre
Verträge nicht gegen Reichsgesetze verstossen oder in die aus-
schliessliche Zuständigkeit des Reiches eingreifen dürfen. Daher
sind auch die zwischen Preussen und den anderen Rheinufer-
staaten vor Gründung des Reiches abgeschlossenen Verträge in
Geltung geblieben, soweit sie nicht der Reichsverfassung wider-
sprechen. Selbst wenn ein Reichsgesetz die Einführung von
Befahrungsabgaben auf den regulierten Strömen erlauben würde
oder man Artikel 54, Absatz 4, in diesem Sinne auslegen dürfte,
würde die vertragsmässige Verpflichtung der Rheinuferstaaten,
von dieser Erlaubnis keinen Gebrauch zu machen, fortbestehen.
Nur wenn ein Reichsgesetz die Erhebung von Befahrungsabgaben
auf den regulierten Flüssen oder speziell auf dem Rhein befehlen
würde, müssten die deutschen Staaten diese Anordnung befolgen.
Dagegen können die Einzelstaaten gegen das im Artikel 54 Ab-
satz 4 enthaltene Verbot, Befahrungsabgaben durch Verein-
barungen, welche sie untereinander schliessen, nicht ein-
führen und — selbst wenn dieses Verbot nicht entgegenstehen
würde — sich von den durch die Rheinschiffahrtsakte übernom-
menen Verpflichtungen nicht ohne die Zustimmung aller der-
jenigen Staaten lossagen, welche diesen Staatsvertrag abge-
schlossen haben.
Für die Schiffahrt auf der Elbe ergibt sich das gleiche Re-
sultat. Ausser dem bereits erwähnten Vertrage mit Oesterreich
kommt für das Gebiet des ehemaligen Königreichs Hannover
der Vertrag vom 22. Juni 1861 über die Aufhebung des Stader
Zolles in Betracht. Der Vertrag ist abgeschlossen zwischen
Hannover und siebzehn Staaten, zu denen fast alle Seeschiffahrt
treibenden Staaten Europas gehören. Sie alle haben zu der
Abfindungssumme von fast 3000000 Talern, welche Hannover
erhielt, nach Verhältnis beigetragen. In dem Vertrage ver-
pflichtete sich Hannover, an Stelle des aufgehobenen Zolles
keinerlei neue Abgabe, von welcher Natur sie sei, auf das Schiff