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Fluss- und Wasserzölle.e. Wenn die Beaufsichtigung irgend einen
praktischen Wert haben soll, so kann sie nicht darauf beschränkt
sein, dass die Reichsorgane von den Massregeln der Einzelstaaten
Kenntnis erhalten, sondern dass sie sie abwenden, falls sie die
Interessen des Reiches oder das bundesfreundliche Verhältnis
unter den Bundesstaaten stören. Wenn eine Angelegenheit,
welche, wie die Fluss- und Wasserzölle auf den deutschen Strömen,
mehrere Bundesstaaten unmittelbar und alle Staaten mittelbar
betrifft, der Gesetzgebung des Reiches unterworfen worden ist,
so widerspricht es der Tendenz dieser Vorschrift, dass ein ein-
zelner Staat der Neuregelung der Angelegenheit durch das Reich
vorgreift. Nur auf dem Wege der Reichsgesetzgebung kann die
Mannigfaltigkeit der in Betracht kommenden Interessen der ein-
zelnen Staaten und Bevölkerungsgruppen zur Geltung kommen
und Ausgleichung finden. Auch wenn Preussen mit den-
jenigen Staaten, durch deren Gebiete ein gemeinschaftlicher
Strom fliesst, über die auf diesem Strom zu erhebenden Ab-
gaben eine Vereinbarung treffen würde, wäre dies ein Rück-
fall in die Zeit des Staatenbundes, in den Partikularismus
und die Selbstherrlichkeit der Einzelstaaten, eine Verletzung
der Rechte des Bundesrates und des Reichstages, eine Ver-
kümmerung des Reichsgedankens und eine Umgehung der Reichs-
kompetenz.
Diese Erwägungen würden selbst dann zutreffen, wenn die
Verfassung das Verbot, Befahrungsabgaben auf den natürlichen
Wasserstrassen zu erheben, im Artikel 54 nicht enthalten würde.
Da dies aber der Fall ist, so kommt Artikel 78 Absatz 1, der
Reichsverfassung in Betracht. Eine Abänderung der Reichs-
verfassung ist nur zulässig, wenn sich nicht 14 Stimmen im
Bundesrat dagegen erklären, und wenn der Reichstag zustimmt;
darin liegt die wichtigste und wirkungsvollste Garantie der ver-
fassungsmässigen Rechte der deutschen Bundesstaaten. as Veto
der 14 Stimmen ist mit grosser Feinheit ausgedacht. Es war