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das Reich selbst vollzieht bezw. selbst delegiert.
Dagegen erscheint ein anderer, ebenfalls staatsrechtlicher
Gesichtspunkt einleuchtender. Die Reichsverfassung hat die
Gesetzgebungskompetenz über Wegewesen grundsätzlich °°) den
Gliedstaaten überlassen, während sich das Reich die Gesetz-
gebung über Strafrecht (natürlich auch Polizeistrafrecht) aus-
drücklich selbst vorbehalten hat ”. Darnach ist die Landes-
gesetzgebung kompetent, den Verkehr auf der Strasse
gesetzlich zu regeln, während es dem Reiche nur zusteht, einer
derartigen erfolgten gesetzlichen Regelung die Strafsanktion hin-
zuzufügen.
Schliesslich geht noch die Richtigkeit der hier vertretenen
Auffassung auch aus dem klaren Wortlaut des $ 366 Ziff. 10
hervor. Denn wenn er bestimmt, dass die Uebertretung der er-
lassenen Polizeiverordnungen mit Strafe bedroht ist, so sind
darunter — nach Sinn und Sprachgebrauch — auch die bereits
vor Einführung des RStGB. erlassenen Verordnungen
inbegriffen. Das hat auch das Reichsgericht ausdrücklich an-
erkannt. Nun ist es ganz klar, dass die bereits vor Ein-
führung des RStGB. erlassenen Polizeiverordnungen unmöglich
ihre Kompetenz von dem später erlassenen Bundes- bezw. Reichs-
gesetz ableiten können. Die bereits vorher erlassenen Polizei-
verordnungen bestehen auch nach Einführung des Bundes-
bezw. Reichsstrafgesetzes weiter. Sie werden nurinsofern
reichsrechtlich beeinflusst, als sie in der Strafandrohung von den
Bestimmungen des $ 366 Ziff. 10 abweichen ”?.
es Ausgenommen Herstellung von Landstrassen im Interesse der Landes-
verteidigung, s. RV. Art. 4 Ziff. 8.
“8, RV. Art. 4 Ziff. 13.
71 Entsch. des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 30 S. 437: „Die Straf-
bestimmung in $ 366 Ziff. 10 ist „auch auf alle früher ergangenen Polizei-
verordnungen, welche in die darin bezeichnete Kategorie fallen“, an-
wendbar.
72 THOMA, a. a. O. S, 317 ff. widmet der vorliegenden Frage eine ein-
gehende Betrachtung und kommt zum gleichen Resultat.