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dem sie gegenübersteht, freier und leichter anschmiegen können.
Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wıe es ım Einzelfalle den
Interessen aller Beteiligten besser entsprechen kann, wenn eine
Massregel getroffen wird, die abweicht von dem, was formell
bindend durch das Urteil bestimmt war. Warum soll das nicht
zulässig sein, hier, wo weder ein Prinzip verletzt ist, noch, an-
gesichts der Zustimmung des Berechtigten, ein erworbenes Recht?
Die Verwaltungsbehörden werden sich schwerlich gescheut
haben, schon immer in diesem Sinne zu handeln. Besser ist es
natürlich, wenn der Staat durch eine klare Vorschrift das aus-
drücklich gut heisst. Es ist das Verdienst des sächsischen Ge-
setzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 19. Juli 1900 in
seinem $ 61 dem vernünftigen Recht zum vollen Ausdruck ver-
holfen zu haben. Die Bestimmung lautet:
„Das rechtskräftige Urteil bindet für den Streitgegenstand
ausser den Parteien sowohl die Verwaltungsgerichte als auch die
Verwaltungsbehörden und zwar diese mit der Wirkung, dass sie
gegen den Willen der Parteien nichts verfügen können, was da-
von abweicht“.
„Diese“, das sind die Verwaltungsbehörden”®. Im Gegensatz
zu ihnen ist also das Verwaltungsgericht an seine eignen Urteile
und an die der andern Verwaltungsgerichte schlechthin gebunden,
ohne die Möglichkeit, durch Zustimmung der Partei entbunden
zu werden. Mit anderen Worten: zwischen den Verwaltungs-
gerichten gilt absolute Rechtskraft.
Wir haben vorhin unter V noch einen anderen Fall auf-
gewiesen, wo in Verwaltungssachen laut Zeugnis des preussischen
Oberverwaltungsgerichts absolute Rechtskraft nicht besteht und
folgerichtig die relative Rechtskraft zum Vorschein kommen kann:
den der Verfügung in Urteilsform. Das Sächsische Gesetz scheint
diesen anderen Fall nicht zu berücksichtigen ; sonst müsste es für
”® Nach den Motiven des Gesetzes ist kein Zweifel möglich, dass nur
sie gemeint sind: APELT, Komment, zum Ges. über die V.-R.-Pfl. S. 67.